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1. Leit­ge­dan­ken zum Kom­pe­ten­z­er­werb

1.1 Bil­dungs­wert des Fa­ches He­brä­isch

He­brä­isch ist die ein­zi­ge nicht in­do­eu­ro­päi­sche Spra­che, die – mit Aus­nah­me in den Jah­ren der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Dik­ta­tur – durch­ge­hend seit der Zeit des Hu­ma­nis­mus zum tra­di­tio­nel­len Sprach­pro­gramm des Gym­na­si­ums ge­hört. Wie in den Spra­chen La­tei­nisch und Grie­chisch zielt der Sprach­er­werb auf die Aus­ein­an­der­set­zung mit tra­dier­ten Tex­ten, die für die eu­ro­päi­sche Geis­tes­welt, aber auch für die ei­ge­ne Le­bens­deu­tung blei­ben­de Re­le­vanz be­sit­zen.

Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler er­wer­ben im He­bräisch­un­ter­richt so­weit Sprach­kom­pe­tenz, dass sie selbst­stän­dig mit­tel­schwe­re er­zäh­len­de Tex­te der Bi­b­lia He­brai­ca über­set­zen und ver­ste­hen kön­nen. Der He­bräisch­un­ter­richt führt über die Sprachan­eig­nung hin­aus zur Kennt­nis der Le­bens- und Welt­deu­tung, die in den Tex­ten der He­bräi­schen Bi­bel (Al­tes be­zie­hungs­wei­se Ers­tes Tes­ta­ment, Ta­nach) ih­ren Nie­der­schlag ge­fun­den hat, und ver­mit­telt da­mit Ein­sich­ten in den jü­di­schen und christ­li­chen Glau­ben und in das We­sen der is­rae­li­tisch-jü­di­schen Kul­tur. So wird den Schü­le­rin­nen und Schü­lern ein Ein­blick in ei­ne Welt er­öff­net, die un­se­re heu­ti­ge abend­län­di­sche Kul­tur mit­ge­prägt hat. Die Be­schäf­ti­gung mit den Textin­hal­ten er­wei­tert ih­ren Pro­blem­ho­ri­zont für Fra­gen der Re­li­gi­on, der po­li­ti­schen Ge­schich­te und der Kul­tur­ge­schich­te, so­dass ein wich­ti­ger Bei­trag ge­leis­tet wird, mit ak­tu­el­len re­li­giö­sen, ge­sell­schaft­li­chen oder exis­ten­ti­el­len Pro­ble­men der Ge­gen­wart um­ge­hen zu ler­nen.

Die Ler­nen­den er­ken­nen durch ei­ne ent­spre­chen­de Aus­wahl von Tex­ten, wie der Got­tes­glau­be in der Re­li­gi­on Is­ra­els und in der jü­di­schen Re­li­gi­on zum Aus­druck ge­bracht wur­de, und ler­nen ins­be­son­de­re Bei­spie­le ei­ner nar­ra­ti­ven Theo­lo­gie ken­nen. Sie ver­ste­hen, dass al­le Le­bens­be­rei­che des he­bräi­schen Men­schen mit die­sem Got­tes­glau­ben ver­knüpft sind, er­ken­nen, wie die Fra­gen des po­li­ti­schen und ge­sell­schaft­li­chen Le­bens in der Ge­schich­te des Vol­kes Is­ra­el ih­re cha­rak­te­ris­ti­schen Ant­wor­ten ge­fun­den ha­ben und wie die­ses Volk im Kon­takt und in Aus­ein­an­der­set­zung mit an­de­ren Völ­kern sei­ne Ei­gen­stän­dig­keit aus­ge­prägt hat. Da­bei ler­nen die Schü­le­rin­nen und Schü­ler auch ei­ne Ethik ken­nen, die in die­se Got­tes- und Welt­erfah­rung ein­ge­bet­tet ist und dar­aus ei­ne ent­spre­chen­de Wer­te­ord­nung ab­ge­lei­tet hat.

Für das Ver­ständ­nis und die In­ter­pre­ta­ti­on der alt­he­bräi­schen Tex­te ist we­sent­lich, dass es sich im jü­di­schen und christ­li­chen Ver­ständ­nis um hei­li­ge Schrif­ten han­delt. Im He­bräisch­un­ter­richt sind sie den­noch nicht Ge­gen­stand ei­ner aus­schließ­lich an theo­lo­gi­schen Fra­ge­stel­lun­gen ori­en­tier­ten Aus­le­gung. Sie wer­den ge­le­sen als An­ge­bo­te für die Deu­tung der Welt und der men­sch­li­chen Exis­tenz, die in viel­fäl­ti­ger Wei­se das abend­län­di­sche Den­ken be­ein­flusst ha­ben und be­ein­flus­sen. Na­he­lie­gend ist aber, dass es en­ge Be­zü­ge gibt zwi­schen dem Fach He­brä­isch und den Fä­chern Jü­di­sche Re­li­gi­ons­leh­re, Ka­tho­li­sche Re­li­gi­ons­leh­re, Evan­ge­li­sche Re­li­gi­ons­leh­re und dem Fach Ethik.

Durch die Be­schäf­ti­gung mit die­ser viel­fäl­ti­gen und rei­chen re­li­giö­sen, geis­ti­gen und ge­schicht­li­chen Tra­di­ti­on er­fah­ren die Schü­le­rin­nen und Schü­ler über den Sprach­er­werb hin­aus ei­ne Er­wei­te­rung ih­res all­ge­mei­nen Ver­ste­hens­ho­ri­zon­tes, so­dass sie für ih­re ei­ge­ne Selbst­deu­tung wich­ti­ge Im­pul­se ge­win­nen kön­nen.

Bei­trag des Fa­ches He­brä­isch zu den Leit­per­spek­ti­ven

Zahl­rei­che Tex­te des Ta­nach/Ers­ten (Al­ten) Tes­ta­ments kön­nen da­durch zum Kom­pe­ten­z­er­werb bei­tra­gen, dass sie – häu­fig in nar­ra­ti­ver Wei­se – in­di­vi­du­al­ethi­sche und so­zi­al­ethi­sche Fra­gen be­rüh­ren (zum Bei­spiel Kon­flikt­lö­sung, Frie­dens­bil­dung) und ent­de­cken las­sen, wie in Ent­schei­dungs­si­tua­tio­nen Wer­te und Nor­men be­rück­sich­tigt wer­den kön­nen. Die Be­schäf­ti­gung mit sol­chen Tex­ten und dem in ih­nen ent­hal­te­nen An­spruch bie­tet die Mög­lich­keit, Hal­tun­gen und Ein­stel­lun­gen zu re­flek­tie­ren und da­mit die bei al­len Leit­per­spek­ti­ven ge­for­der­te ethi­sche Ent­schei­dungs­kom­pe­tenz der Schü­le­rin­nen und Schü­ler zu för­dern.

  • Bil­dung für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung (BNE)
    Für Fra­gen, die das Ver­hält­nis des Men­schen zur Welt und Na­tur be­tref­fen, ler­nen die Schü­le­rin­nen und Schü­ler in den bi­bli­schen Tex­ten den uni­ver­sa­len Schöp­fungs­ge­dan­ken ken­nen. Die­se Deu­tung un­ter­stellt Mensch­heit, Welt und Na­tur ei­nem über­ge­ord­ne­ten Sinn- und Ord­nungs­gan­zen, das auf ein von Gott mit der Schöp­fung ge­setz­tes Ziel der Ge­schich­te aus­ge­rich­tet ist. In der Be­geg­nung da­mit kann der He­bräisch­un­ter­richt nicht nur die Kom­pe­tenz­ent­wick­lung, son­dern auch die Per­sön­lich­keits­bil­dung jun­ger Men­schen för­dern.
  • Bil­dung für To­le­ranz und Ak­zep­tanz von Viel­falt (BTV)
    Alt­he­bräi­sche Tex­te sind aus ih­rer je­wei­li­gen Zeit her­aus zu le­sen und als Aus­ein­an­der­set­zungs­li­te­ra­tur zu deu­ten. Die Be­schäf­ti­gung mit der Fra­ge nach dem Um­gang Is­ra­els mit Frem­dem (et­wa in exi­l­i­scher oder nach­exi­l­i­scher Li­te­ra­tur) bie­tet die Mög­lich­keit, über To­le­ranz, in­ter­kul­tu­rel­len und in­ter­re­li­giö­sen Dia­log zu dis­ku­tie­ren, aber auch die Zeit­be­dingt­heit man­cher Po­si­ti­on zu er­ken­nen. Ins­be­son­de­re Tex­te der Ne­bi’im mah­nen, das Exis­tenz­recht und die Wür­de ge­sell­schaft­lich Mar­gi­na­li­sier­ter zu ach­ten und im kon­kre­ten Tun zu be­rück­sich­ti­gen. So er­ge­ben sich bei­spiels­wei­se aus der Kri­tik am Kö­nig­tum in Is­ra­el, ins­be­son­de­re aus der So­zi­al­kri­tik der Pro­phe­ten, Ant­wor­ten auf die Fra­ge, wie ei­ne Ge­sell­schaft ge­recht zu ge­stal­ten ist, aber auch Kon­se­quen­zen für das Han­deln und Ver­hal­ten der/des Ein­zel­nen.
    Im Zu­sam­men­hang mit der Be­hand­lung der Ge­schich­te Is­ra­els wer­den die Schü­le­rin­nen und Schü­ler auch mit dem all­zu oft leid­vol­len Schick­sal des jü­di­schen Vol­kes im Mit­tel­al­ter und in der Neu­zeit be­kannt. Die Be­schäf­ti­gung mit au­then­ti­schen Text­quel­len, die Er­wei­te­rung der Sach­kennt­nis­se, aber auch un­mit­tel­ba­re Be­geg­nun­gen mit jü­di­schen Mit­bür­ge­rin­nen und Mit­bür­gern in­ner­halb oder au­ßer­halb des Un­ter­richts tra­gen da­zu bei, Miss­ver­ständ­nis­se und Vor­ur­tei­le aus­zu­räu­men, ge­gen­sei­ti­ges Ver­ste­hen und die Ach­tung vor­ein­an­der zu för­dern. Dass To­le­ranz ei­ne ei­ge­ne Po­si­tio­nie­rung nicht aus­schließt, son­dern ge­ra­de­zu for­dert, wird ge­lernt.
  • Prä­ven­ti­on und Ge­sund­heits­för­de­rung (PG)
    Um ei­ne Fremd­spra­che er­folg­reich zu er­ler­nen und er­wor­be­ne Kennt­nis­se ziel­ge­rich­tet zu ver­tie­fen, ist es wich­tig, Lern­stra­te­gi­en und Ar­beits­me­tho­den be­wusst ein­set­zen zu kön­nen. Die­se wer­den im He­bräisch­un­ter­richt ver­mit­telt und ein­ge­übt. So un­ter­stützt der Un­ter­richt die Schü­le­rin­nen und Schü­ler im be­wuss­ten Um­gang mit ei­ge­nen Res­sour­cen. Da­bei kön­nen sie sich in ih­rem Ler­nen und Han­deln als ei­gen­stän­dig und selbst­wirk­sam er­le­ben.
    Zu­gleich weiß der Ta­nach um die grund­sätz­li­che ir­di­sche Hin­fäl­lig­keit des Men­schen als con­di­tio hu­ma­na. Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler fin­den in den Aus­sa­gen der He­bräi­schen Bi­bel spe­zi­fi­sche Deu­tun­gen für Grenz­si­tua­tio­nen und Grund­fra­gen men­sch­li­cher Exis­tenz wie Krank­heit, Leid und Tod. Die­se tran­szen­die­ren in­ner­welt­li­che Ant­wor­ten, in­so­fern sie sich aus dem Glau­ben an den Gott Is­ra­els her­lei­ten.
  • Be­ruf­li­che Ori­en­tie­rung (BO)
    Die Aus­ein­an­der­set­zung mit Ler­n­an­for­de­run­gen und Tex­ten bie­tet den Schü­le­rin­nen und Schü­lern die Mög­lich­keit, ei­ge­ne In­ter­es­sen und Fä­hig­kei­ten zu Be­rufs­fel­dern in Be­zug zu set­zen und Stu­di­en- oder Be­rufs­ent­schei­dun­gen vor­zu­be­rei­ten.
  • Me­di­en­bil­dung (MB)
    Über die he­bräi­schen Tex­te be­geg­nen die Schü­le­rin­nen und Schü­ler de­zi­diert ei­ner Buch­re­li­gi­on. Sie re­flek­tie­ren den Wert die­ses tra­di­tio­nel­len Me­di­ums im Ver­gleich mit di­gi­ta­len Me­di­en, die für In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung und Prä­sen­ta­ti­on, für Kom­mu­ni­ka­ti­on und Ko­ope­ra­ti­on kri­tisch ge­prüft und ge­nutzt wer­den.
  • Ver­brau­cher­bil­dung (VB)
    Zwar wird im Ta­nach durch­aus das Ge­nie­ßen ir­di­scher Gü­ter gut­ge­hei­ßen, den­noch ler­nen die Schü­le­rin­nen und Schü­ler ei­ne kri­ti­sche Dis­tanz zu ei­ner ober­fläch­li­chen Ver­en­gung der Da­seins­be­stim­mung des Men­schen in Sin­ne ei­nes ho­mo con­su­mens, da alt­he­bräi­sche Tex­te die Sinn­haf­tig­keit men­sch­li­chen Le­bens um­fas­sen­der und ins­be­son­de­re in der Ver­wie­sen­heit auf Gott deu­ten.

1.2 Kom­pe­ten­zen

Re­flek­tie­ren­de Sprach­be­trach­tung

Mit dem Er­ler­nen des He­bräi­schen als ei­ner wich­ti­gen se­mi­ti­schen Spra­che be­kom­men die Schü­le­rin­nen und Schü­ler Zu­gang zu ei­nem nich­t-in­do­eu­ro­päi­schen Sprach­be­reich. Sie er­ken­nen in zu­neh­men­dem Ma­ße Un­ter­schie­de zu Struk­tu­ren der in­do­eu­ro­päi­schen Spra­chen und schär­fen da­mit ihr ei­ge­nes Sprach­be­wusst­sein. Der Un­ter­richt im He­bräi­schen trägt so­mit da­zu bei, den Ein­blick in die Funk­ti­ons­wei­sen von Spra­che zu ver­tie­fen und grund­sätz­li­che Mög­lich­kei­ten un­ter­schied­li­cher Spra­chen zu ent­de­cken.

Durch die Be­schäf­ti­gung mit der alt­he­bräi­schen Spra­che im Un­ter­richt der gym­na­sia­len Ober­stu­fe wird ei­ne spe­zi­fi­sche Sprach­lern­kom­pe­tenz er­wor­ben, die ei­ne gu­te Grund­la­ge dar­stellt für das ak­ti­ve Er­ler­nen der mo­der­nen he­bräi­schen Spra­che. Um­ge­kehrt kön­nen auf­grund der gram­ma­ti­schen und le­xi­ka­li­schen Kon­ti­nui­tät in der un­ter­richt­li­chen Ar­beit für das Le­se­trai­ning jid­di­sche Tex­te oder zum Ein­üben ein­zel­ner gram­ma­ti­ka­li­scher Phä­no­me­ne Bei­spie­le aus dem Ivrit ein­ge­setzt wer­den.

Text- und Li­te­ra­tur­kom­pe­tenz

Im Zen­trum des He­bräisch­un­ter­richts steht die Be­schäf­ti­gung mit alt­he­bräi­schen Tex­ten des Ta­nach, die ei­nen ho­hen Bil­dungs­wert be­sit­zen. An ih­nen ma­chen die Schü­le­rin­nen und Schü­ler viel­fäl­ti­ge li­te­ra­ri­sche Er­fah­run­gen und ent­wi­ckeln ih­re Fä­hig­keit, mit re­li­gi­ös be­deut­sa­men und äs­the­tisch an­spre­chen­den Tex­ten um­zu­ge­hen. Die für das Ver­ständ­nis mit­tel­schwer er­zäh­len­der alt­he­bräi­scher Tex­te not­wen­di­gen Fä­hig­kei­ten er­wer­ben sie wäh­rend der Sprach­er­werbs­pha­se. Da­bei er­ar­bei­ten sie sich nicht nur Kennt­nis­se in den Be­rei­chen Wort­schatz, For­men­leh­re und Satz­leh­re, die sie bei der Ent­schlüs­se­lung von Tex­ten an­wen­den, son­dern re­flek­tie­ren auch die ge­ra­de für das He­bräi­sche cha­rak­te­ris­ti­sche Art, Welt und Mensch wahr­zu­neh­men und zu deu­ten. Auf die­se Wei­se schu­len sie bei der Über­set­zung ih­re Fä­hig­keit der ver­glei­chen­den Sprach­be­trach­tung und ih­rer Aus­drucks­mög­lich­kei­ten im Deut­schen.

In­ter­kul­tu­rel­le und in­ter­re­li­giö­se Kom­pe­tenz

Das Er­ler­nen der he­bräi­schen Spra­che führt un­mit­tel­bar zur Be­geg­nung mit jü­di­schem und christ­li­chem Glau­ben, jü­di­scher Ge­schich­te und jü­di­scher Kul­tur. Der He­bräisch­un­ter­richt er­gänzt und ver­tieft da­her den Re­li­gi­ons- und Ethik­un­ter­richt sinn­voll. Sach­kennt­nis und Ver­ste­hen kön­nen Vor­ur­tei­le ab­bau­en und Ver­ständ­nis för­dern. Über die Be­schäf­ti­gung mit Sprach­phä­no­me­nen und alt­he­bräi­schen Tex­ten hin­aus kann die reich­hal­ti­ge au­ßer­bi­bli­sche li­te­ra­ri­sche Tra­di­ti­on des Ju­den­tums (un­ter an­de­rem Tal­mu­dim, Midra­schim, Schul­chan Aruch, mit­tel­al­ter­li­che Kom­men­tar­tra­di­ti­on, Sid­dur) im Un­ter­richt an­ge­spro­chen und – mög­lichst un­ter Be­rück­sich­tung der Lo­kal­ge­schich­te – die Ge­schich­te des Ju­den­tums auch über die bi­bli­sche Zeit hin­aus the­ma­ti­siert wer­den. An ein­zel­nen Per­sön­lich­kei­ten kann ver­deut­licht wer­den, wie Jü­din­nen und Ju­den un­ter an­de­rem in Wis­sen­schaft, Kunst und Kul­tur Gro­ßes ge­leis­tet ha­ben und leis­ten. Be­geg­nun­gen mit ei­ner jü­di­schen Ge­mein­de, Sy­nago­gen­be­su­che oder die Teil­nah­me zum Bei­spiel an ei­nem Kab­ba­la­t-Schab­ba­t-Got­tes­dienst kön­nen den Un­ter­richt sinn­voll er­gän­zen. Da im­mer wie­der auch Schü­le­rin­nen und Schü­ler jü­di­schen Glau­bens am He­bräisch­un­ter­richt teil­neh­men, ist es für al­le be­rei­chernd, wenn die­se sich au­then­tisch in den Un­ter­richt ein­brin­gen kön­nen. Per­spek­ti­ven­über­nah­me be­stimmt so als di­dak­ti­sches Prin­zip und als wich­ti­ges Ele­ment in­ter­kul­tu­rel­ler und in­ter­re­li­giö­ser Kom­pe­tenz den He­bräisch­un­ter­richt mit.

Me­tho­den­kom­pe­tenz

Die För­de­rung der Me­tho­den­kom­pe­tenz ist im­pli­zi­tes An­lie­gen des He­bräisch­un­ter­richts. Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler ler­nen grund­le­gen­de Me­tho­den und Stra­te­gi­en ken­nen, sich ei­ne Spra­che sys­te­ma­tisch an­zu­eig­nen. Sie re­flek­tie­ren im­mer wie­der die­sen An­eig­nungs­pro­zess und kön­nen ih­re er­lern­ten Fä­hig­kei­ten un­ter an­de­rem beim Er­werb wei­te­rer Fremd­spra­chen nut­zen. Sie ler­nen Hilfs­mit­tel zu ver­wen­den, sich In­for­ma­ti­on zu be­schaf­fen und Quel­len kri­tisch zu prü­fen. Ar­beits- und Re­cher­che­er­geb­nis­se kön­nen sie adres­sa­ten­ori­en­tiert prä­sen­tie­ren, Me­di­en wer­den beim Sprach­er­werb, bei der Ar­beit mit Tex­ten oder bei Prä­sen­ta­tio­nen sach­ge­mäß ein­ge­setzt. In der Be­geg­nung mit alt­he­bräi­schen Tex­ten üben die Schü­le­rin­nen und Schü­ler ver­schie­de­ne Me­tho­den des Um­gangs mit Tex­ten: vor­er­schlie­ßen, über­set­zen, pa­ra­phra­sie­ren, ana­ly­sie­ren, deu­ten. Er­kannt wird an der Spe­zi­fik des Alt­he­bräi­schen, wie der Zu­sam­men­hang zwi­schen in­halt­li­cher Aus­sa­ge und Form ge­stal­tet wer­den kann.

1.3 Di­dak­ti­sche Hin­wei­se

Von den in der Re­gel sechs Halb­jah­ren, in de­nen bis zum Ab­schluss mit der He­brai­cum­s-Er­gän­zungs­prü­fung oder der Ab­itur­prü­fung das Fach He­brä­isch un­ter­rich­tet wird, sol­len vor al­lem die ers­ten drei Halb­jah­re der grund­le­gen­den Spra­cher­ler­nung die­nen. Die Ar­beit beim Sprach­er­werb soll über­all auf die Er­for­der­nis­se der Über­set­zung aus dem Alt­he­bräi­schen ab­ge­stimmt sein. Im Ver­lauf des Un­ter­richts soll die gram­ma­ti­sche Ter­mi­no­lo­gie den Schü­le­rin­nen und Schü­lern so weit be­kannt wer­den, dass sie von ih­nen als In­stru­ment zur Klas­si­fi­zie­rung und als Mit­tel der Ver­stän­di­gung ge­hand­habt wer­den kann, wo­bei das schu­li­sche Ni­veau zu be­rück­sich­ti­gen bleibt.

Das Er­wer­ben der Le­se- und Schreib­fer­tig­keit zielt dar­auf, dass Schü­le­rin­nen und Schü­ler vo­ka­li­sier­te al­t-he­bräi­sche Tex­te in Druck-(Qua­dra­t‑)Schrift flüs­sig le­sen und he­bräi­sche Vo­ka­beln mit Qua­drat­schrift und ma­so­re­ti­scher Punk­ta­ti­on schrei­ben kön­nen.

Die Ar­beit im Kom­pe­tenz­be­reich „Wort­schatz“ führt zum Er­ler­nen ei­nes Grund- und Auf­bau­wort­schat­zes, zum Ein­blick in die Wort­bil­dungs­leh­re und zum sach­ge­mä­ßen Um­gang mit dem Wör­ter­buch. Das Ver­traut­wer­den mit häu­fig vor­kom­men­den Wort­ver­bin­dun­gen för­dert die Ent­wick­lung des Satz­ver­ständ­nis­ses. Bei der Be­trach­tung des Wor­tes im Satz­zu­sam­men­hang ist auf die Be­deu­tungs­va­ri­an­ten ei­ner Wur­zel im Kon­text zu ach­ten.

Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler er­ar­bei­ten sich im Kom­pe­tenz­be­reich „For­men­leh­re“ Ein­sich­ten in die Form­bil­dun­gen des star­ken und schwa­chen Verbs so­wie des no­mi­na­len For­men­be­stands. Mit un­vo­ka­li­sier­ten Bei­spie­len ist da­bei di­dak­tisch-me­tho­disch vor al­lem dann sinn­voll zu ar­bei­ten, wenn Form­bil­dun­gen durch kon­so­nan­ti­sche Mor­phe­me cha­rak­te­ri­siert sind. Die not­wen­di­ge Si­cher­heit bei der Form­ana­ly­se – ins­be­son­de­re von Verb­for­men im Qal und in ab­ge­lei­te­ten Stäm­men, von For­men der No­mi­na, Con­struc­tus-Ver­bin­dun­gen, Suf­fi­gie­rung – wird durch in­tel­li­gen­tes Üben er­reicht, dem für den Kom­pe­tenz­zu­wachs ho­he Be­deu­tung zu­kommt.

Auf Syn­ta­xe­be­ne (in­halts­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen „Satz­leh­re“) ge­win­nen die Schü­le­rin­nen und Schü­ler ins­be­son­de­re durch die Text­lek­tü­re ein zu­neh­men­des Ver­ständ­nis für die Bil­dung des he­bräi­schen Sat­zes und Satz­ge­fü­ges. Hier­für wer­den – in der Re­gel lek­tü­re­be­zo­gen – vor al­lem Grund­mus­ter des Ver­bal­sat­zes, Sub­stan­ti­ve, Ad­jek­ti­ve und Pro­no­mi­na als kon­sti­tu­ti­ve Ele­men­te des No­mi­nal­sat­zes, Er­wei­te­run­gen der Satz­grund­mus­ter so­wie das he­bräi­sche Satz­ge­fü­ge mit syn­de­ti­schem und asyn­de­ti­schem Auf­bau, mit Ko­or­di­nie­rung und Su­bor­di­nie­rung be­han­delt.

Die Über­set­zung alt­he­bräi­scher Tex­te ins Deut­sche stellt ei­nen kom­ple­xen Vor­gang dar. Ge­for­dert sind zum ei­nen ein sys­te­ma­ti­sches, me­tho­den­ge­lei­te­tes Vor­ge­hen, das im­mer wie­der zu re­flek­tie­ren ist, und ein kri­ti­sches Ab­wä­gen von Lö­sungs­ver­su­chen. Zum an­de­ren ist es auf­grund der Mehr­deu­tig­keit und der Un­de­ter­mi­niert­heit vie­ler he­bräi­scher For­men und Syn­tag­men aber eben­so not­wen­dig, durch früh be­gin­nen­de Ar­beit auf der Syn­ta­xe­be­ne und durch re­gel­mä­ßi­ges Üben auf Text­ebe­ne die Ent­wick­lung ei­nes sen­si­blen Sprach­ge­fühls zu un­ter­stüt­zen.

Für die Be­hand­lung der Ori­gi­nal­lek­tü­re ist es ent­schei­dend, ei­ne an­ge­mes­se­ne Ge­wich­tung und Ver­bin­dung von gram­ma­tisch-sprach­li­cher Klä­rung ei­ner­seits und Er­ar­bei­tung des Textin­halts an­de­rer­seits zu fin­den. Ei­ne Über­set­zung kommt nur über ei­ne Rei­he von Ar­beits­pha­sen zu­stan­de. Pro­vi­so­ri­sches Satz­ver­ständ­nis, Sach­in­for­ma­tio­nen, sinn­ge­mä­ße Ein­ord­nung in den nä­he­ren und wei­te­ren Kon­text und die Über­prü­fung ei­ner an­ge­mes­se­nen deut­schen Wie­der­ga­be, die nicht nur von ei­nem fest­ge­leg­ten Vo­ka­bel­wis­sen be­stimmt ist, sind Ele­men­te die­ses Pro­zes­ses, der auf­grund der Cha­rak­te­ris­tik der alt­he­bräi­schen Spra­che im­mer nur zu ei­ner sich dem Ori­gi­nal an­nä­hern­den „Ver­deut­schung“ füh­ren kann.

Der Un­ter­richt soll aber die Über­set­zungs­ebe­ne über­schrei­ten. Die In­ter­pre­ta­ti­on als Deu­tung der Tex­te und Aus­wer­tung ih­res Ge­halts be­rück­sich­tigt zum ei­nen for­ma­le Ge­sichts­punk­te und stützt sich zum an­de­ren auf die Kennt­nis ein­zel­ner Be­grif­fe, auf im Kon­text rich­tig ver­stan­de­ne Ein­zel­aus­sa­gen, auf die Be­ach­tung der Ge­dan­ken­rich­tung so­wie auf die Funk­ti­on des Tex­tes im Zu­sam­men­hang grö­ße­rer li­te­ra­ri­scher Ein­hei­ten. Die­ser kom­ple­xe her­me­neu­ti­sche Vor­gang muss in al­ler Re­gel von der Lehr­per­son an­ge­lei­tet wer­den. Da­bei kön­nen ge­le­gent­lich Bei­spie­le jü­di­scher Schrift­aus­le­gung (zum Bei­spiel die deut­sche Über­set­zung des Ra­schi-Kom­men­tars zum Pen­ta­teuch) her­an­ge­zo­gen und in ih­rer Ei­gen­art ge­wür­digt wer­den.




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