Die prozess- und inhaltsbezogenen Kompetenzen naturwissenschaftlicher, technischer, sozialwissenschaftlicher, historischer und geographischer Bildung gliedern sich in diesem Bildungsplan in das Fach Sachunterricht und die Fächergruppe Biologie, Naturphänomene und Technik (BNT), das Fach Technik sowie die Fächer Gemeinschaftskunde, Geschichte, Geographie und sind im Zusammenhang zu verstehen. Hierbei wurde auch die Altersentsprechung von Kompetenzen und Inhalten berücksichtigt. Entsprechende Verknüpfungen finden sich in den jeweiligen Kompetenzfeldern.
1.1 Bildungsgehalt des Faches Sachunterricht
Die Bildungsaufgabe des Sachunterrichts besteht darin, die Schülerinnen und Schüler im Verstehen ihrer Lebenswelt zu unterstützen und zu begleiten, sodass sie sich diese erschließen und sie verantwortlich mitgestalten können. Sachunterricht unterstützt die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler, indem er den Raum schafft, die Lebenswelt zu explorieren, Interessen zu entwickeln und sich als selbstwirksam zu erfahren. Die Schülerinnen und Schüler erkunden die Welt und damit immer auch sich selbst. Die Welt wird für sie bedeutsam und sie erkennen die eigene Bedeutsamkeit in der Welt.
Die Welterfahrungen und Weltauffassungen sowie Beziehungen, die die Schülerinnen und Schüler bereits vor und außerhalb der Schule gewonnen haben, sind Ausgangspunkte sachunterrichtlicher Bildung. Perspektivisch erschließen sich den Schülerinnen und Schülern das in Fachdisziplinen geordnete Wissen über die natürliche, kulturelle, soziale und technische Umwelt und die Grundformen wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung. Darin orientiert sich der vorliegende Bildungsplan am Perspektivrahmen Sachunterricht (Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts [GDSU] 2013).
Wesentliches Merkmal des Sachunterrichts ist somit das Verknüpfen von Alltagserfahrungen sowie Alltagsvorstellungen und fachlichem Wissen. Das neugierige Fragen und Erkunden der Schülerinnen und Schüler wird aufgegriffen und geweckt. Fragestellungen werden im Sachunterricht vielperspektivisch und kontextbezogen und nicht ausschließlich fachsystematisch betrachtet. Dies ermöglicht den Schülerinnen und Schülern, ihre zumeist nicht fachlich ausgerichteten Alltagserfahrungen einzugliedern und entspricht der Mehrperspektivität von Themen und der Komplexität aktueller Herausforderungen (zum Beispiel Fragen der Globalisierung, der nachhaltigen Entwicklung, des Umgangs mit Vielfalt).
Zugleich eröffnet der Sachunterricht (fachliche) Perspektiven sowie Denk- und Arbeitsweisen, die über die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler hinausgehen. Sie gewinnen Einblicke in gesellschaftliche sowie politische Strukturen und erkennen den Wert demokratischer Ordnungen. Kenntnisse über den eigenen Körper sowie das Leben von Menschen, Tieren und Pflanzen eröffnen ihnen biologische Zusammenhänge. Das Erforschen von Naturphänomenen und Naturerscheinungen verknüpft lebensweltliche Erfahrungen mit fachlichen Aspekten der Biologie, Chemie und Physik. Indem sie selbst bauen, erfinden und konstruieren, entdecken die Schülerinnen und Schüler technische Zusammenhänge und entwickeln ein Bewusstsein für Technik im Alltag. Geographie hebt die Natur als Lebensgrundlage des Menschen hervor und weitet den Blick auf die Vielfalt von Kulturen und Lebensräumen. Die Schülerinnen und Schüler erkunden ihre Umgebung und lernen sich zu orientieren. Aus historischer Perspektive wird die Auseinandersetzung mit der Orientierung in Raum und Zeit sowie der eigenen Herkunft und der Vielfalt der Lebensentwürfe ergänzt.
Die handelnde Auseinandersetzung mit der Welt ist Fundament sachunterrichtlicher Bildung. Sachunterricht in der Verknüpfung mit den Lebensfeldern, „Personales Leben“, „Soziales und gesellschaftliches Leben“, „Selbstständiges Leben“ und „Arbeitsleben“ ist hierbei sowohl Lern- als auch Anwendungsraum für die Schülerinnen und Schüler.
Sachunterrichtliche Lernprozesse initiieren Begriffsbildung. Ausgehend von den unmittelbaren Erfahrungen erschließen sich die Schülerinnen und Schüler Begriffe und Symbole sowie deren Bedeutung. Das begriffliche Ordnen und Modellieren von Sacherfahrungen erweitert das Symbol- und Sprachverständnis.
Deutsch sowie Mathematik finden als Sprachen der Sachklärung im Sachunterricht zahlreiche Anwendungsbezüge. Ästhetische Ausdrucksformen (zum Beispiel Musik, Kunst, Bewegung, Poesie) tragen zur individuellen Bedeutungsfindung bei und entsprechen der Vielperspektivität sachunterrichtlicher Inhalte.
Die Auseinandersetzung mit den lebensweltlichen Erfahrungen und konkreten Inhalten im Sachunterricht, ermöglicht den Schülerinnen und Schülern in besonderer Weise, ihre Interessen, Fragen, Hypothesen und Schlussfolgerungen auch durch ihr Handeln auszudrücken. Schülerinnen und Schüler, die über wenig oder keine Verbalsprache verfügen, finden im Sachunterricht besondere Chancen zu lernen und ihr Wissen und Können mitzuteilen.
Durchgängig wird dem von- und miteinander Lernen, dem gemeinsamen Handeln und dem Austausch von Erfahrungen, Gedanken und Meinungen im Sachunterricht besonders Rechnung getragen. Er unterstützt damit die demokratische Meinungsbildung, den lösungsorientierten Umgang mit aktuellen Herausforderungen und das Zusammenleben in einer vielfältigen Gesellschaft.
Abbildung 1: Verflechtung Lebensfelder – Fach Sachunterricht (© Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg)
1.2 Kompetenzen
1.2.1 Inhaltsbezogene Kompetenzen
Der Bildungsplan im Fach Sachunterricht orientiert sich an den fünf Perspektiven des Perspektivrahmens Sachunterricht (GDSU 2013). Dieser unterscheidet die sozialwissenschaftliche, naturwissenschaftliche, geographische, historische und technische Perspektive. Dabei geht es einerseits um die Anbahnung fachspezifischer Kompetenzen und andererseits um die Vernetzung der nach Fachperspektiven geordneten Inhalte. Verknüpfungen zwischen dem noch nicht fachlich ausdifferenzierten Weltverstehen der Schülerinnen und Schüler und den grundlegenden Unterscheidungen wissenschaftlicher Fachdisziplinen werden so ermöglicht. Dies trägt auch dem Umstand Rechnung, dass reale Probleme der Lebenswirklichkeit komplex sind und sich nur mehrperspektivisch-vernetzt lösen lassen. Inhalts- und prozessbezogene Kompetenzen sind stets integrativ zu sehen.
Der Bildungsplan Sachunterricht gliedert sich in folgende Bereiche:
- Demokratie und Gesellschaft
- Natur und Leben
- Naturphänomene und Technik
- Raum und Mobilität
- Zeit und Wandel
1.2.2 Prozessbezogene Kompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler erleben in der Begegnung und Auseinandersetzung die Welt mit allen Sinnen, erkunden sie auf vielfältige Weise und lernen sie zu verstehen. Sie teilen ihre Erfahrungen, Vorstellungen und Erkenntnisse mit anderen. Die Schülerinnen und Schüler erwerben zunehmend Gestaltungs- und Handlungskompetenz. Sie können naturwissenschaftlich-technische Phänomene und soziokulturelle Sachverhalte wahrnehmen, erleben, gestalten, reflektieren und sich dazu positionieren.
Die prozessbezogenen Kompetenzen gliedern sich in folgende Bereiche:
Welt erleben und wahrnehmen
Die Schülerinnen und Schüler nehmen sich und die Welt wahr. An schulischen und außerschulischen Lernorten erleben sie Darstellungen, Ereignisse, Situationen und Phänomene. Sie entwickeln Sensibilität, Offenheit, Interesse und Neugier gegenüber der Welt. Dabei verfeinern sie ihre Wahrnehmung, äußern ihre Eindrücke und Fragen und sammeln Erfahrungen.
Welt erkunden und verstehen
Die Schülerinnen und Schüler erkunden die Welt explorierend und experimentierend. Sie probieren, kombinieren und gestalten intuitiv und eignen sich Methoden der Welterkundung und Erkenntnisgewinnung an. Sie erkennen unterschiedliche Erscheinungsformen von Kultur und Natur. Ihre Erfahrungen vergleichen, ordnen und dokumentieren sie. Sie analysieren, deuten, erklären und stellen Zusammenhänge her.
Kommunizieren und sich verständigen
Die Schülerinnen und Schüler äußern ihre Wünsche und Bedürfnisse. Sie erweitern ihre Ausdrucksmöglichkeiten und ihren Wortschatz, gegebenenfalls mit Mitteln der Unterstützten Kommunikation. In der Auseinandersetzung mit der Welt lernen sie, ihre Eindrücke, Wahrnehmungen und Emotionen auszudrücken, ihre Erfahrungen und Erkenntnisse mitzuteilen und ihre Meinung zu vertreten. Sie können unter Einbezug verschiedener Ausdrucksformen konstruktiv mit anderen kommunizieren sowie kooperativ arbeiten. Die Schülerinnen und Schüler tauschen ihre Wahrnehmungen, Vermutungen, Beobachtungen, Vorgehensweisen und Erklärungen aus. Sie präsentieren ihre Erkenntnisse und Fertigkeiten und nutzen hierfür vielfältige Medien.
In der Welt handeln – Welt gestalten
Die Schülerinnen und Schüler handeln fantasievoll und zielgerichtet, planen und führen Gestaltungsvorhaben und Experimente durch, reflektieren Entstehungsprozesse und Ergebnisse, entwickeln Handlungsalternativen und erkennen Auswirkungen ihres Handelns. Sie können im Rahmen ihrer Möglichkeiten gemeinschaftliches Leben gestalten und Verantwortung übernehmen. Nachhaltige Handlungsweisen können die Schülerinnen und Schüler erleben und umsetzen. Sie wirken aktiv an der Gestaltung ihrer Lebenswelt mit.
Reflektieren und sich positionieren
Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit sich, den anderen und der Welt auseinander. Dabei beziehen sie Stellung zu Personen, Aktivitäten und Sachen. Sie denken über sich selbst und ihre Umwelt in der Begegnung mit Natur und Kulturen nach. Sie nehmen ihre eigenen Emotionen wahr und entwickeln Interessen und Meinungen. Sie lernen die Emotionen, Interessen und Ansichten der anderen wahrzunehmen und zu respektieren und reflektieren ihre eigenen Bedürfnisse und Meinungen. Die Schülerinnen und Schüler lernen, zu einer Sache, einem Problem oder einer Situation eine eigene Position zu beziehen und zu vertreten sowie respektvoll mit anderen Positionen umzugehen.
Die in den oben genannten Bereichen beschriebenen Prozesse greifen ineinander, sind miteinander verknüpft und werden situationsbezogen gewichtet. Als Zugänge zur Welt kommen sie auch in den Formulierungen der prozessorientierten Kompetenzen der Fächer Musik und Kunst/Werken zum Ausdruck.
1.3 Didaktische Hinweise
Um seiner Aufgabe gerecht zu werden, muss der Sachunterricht gleichermaßen die Fragen, Interessen und Lernbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler berücksichtigen sowie das in Fachkulturen erarbeitete und weiter zu entwickelnde Wissen nutzen. Das gleichgewichtige und wechselseitige Berücksichtigen dieses „Spannungsfelds“ aus den Erfahrungen und Alltagsvorstellungen der Schülerinnen und Schüler und den (inhaltlichen und methodischen) Angeboten der Fachwissenschaften ist für den Sachunterricht konstitutiv.
Aus diesem Grund orientiert sich der Sachunterricht konsequent an den Schülerinnen und Schülern, ihren Lernvoraussetzungen und Lebensbedingungen. Unterrichtliche Angebote greifen die im Bildungsplan formulierten Kompetenzen so auf, dass dabei die Voraussetzungen vor Ort berücksichtigt werden und die Fragestellungen der Schülerinnen und Schüler handlungsleitend für die Unterrichtsgestaltung sind.
Lebensnähe und originale Begegnung sind dabei grundlegende Prinzipien sachunterrichtlichen Lernens. Authentische eigene Erfahrungen, wie beispielsweise durch das Aufsuchen außerschulischer Lernorte, den Einbezug von Expertinnen und Experten, das selbstgelöste technische Problem, das Klären des Pausenkonflikts oder das selbst durchgeführte Experiment, sind Stütze und Bedingung des kindlichen Verstehens und regen eigene Fragestellungen der Schülerinnen und Schüler an, die die Ausgangslage für die unterrichtliche Gestaltung bilden. Darauf aufbauend können ausgewählte fachwissenschaftliche Inhalte und mediatisiertes Wissen die eigenen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler ergänzen und erweitern sowie praktischen Nutzen aufzeigen.
Maßgeblich für sachunterrichtliche Lernarrangements sind Problem, Handlungs- und Projektorientierung sowie entdeckendes Lernen. Das gemeinsame Lösen von Frage- und Problemstellungen mit einer konsequenten Handlungsorientierung ermöglicht den Schülerinnen und Schülern das Durchdringen sachunterrichtlicher Zusammenhänge. Die Komplexität der sachunterrichtlichen Themen bedingt ein exemplarisches Vorgehen und ein hohes Maß an Vernetzung. Die Verknüpfung mehrerer Kompetenzbereiche ist handlungsleitend. Transferleistungen der Schülerinnen und Schüler können angeregt werden. Voraussetzung hierfür sind ausreichend Raum und Zeit, um den Unterrichtsinhalt auf vielfältige Weise explorieren, erfahren und erörtern zu können.
Bei der Arbeit mit Modellen und Analogien ist ein differenzierter Blick auf die individuellen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler und den Kern des Unterrichtsinhalts geboten. Tragen das Modell oder die Analogie zur Beantwortung der handlungsleitenden Fragestellung bei oder verfälschen sie das Verständnis der Schülerinnen und Schüler eher?
Ein wichtiges Medium sachunterrichtlichen Lernens ist das Gespräch. Dieses ist ergebnisoffen gestaltet und schließt jegliche Form der Kommunikation mit ein. Beispielsweise ermöglicht eine handlungsorientierte Unterrichtsgestaltung den Schülerinnen und Schülern, ihre Gedanken nicht nur sprachlich, sondern auch durch Handlungen auszudrücken. Während des sachunterrichtlichen Gesprächs werden Fragen aufgeworfen, welche die Grundlage unseres Denkens, Wollens und Handelns betreffen. Beim Philosophieren mit Schülerinnen und Schülern werden alle Beteiligten zu gleichberechtigten Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern.
Das Halten und Pflegen von Pflanzen und Tieren sowie die Verantwortungsübernahme von Aufgaben in Klasse und Schule sind wichtige Bausteine des Sachunterrichts.
Kinder erkunden die Welt durch Ausprobieren und machen dabei vielfältige Erfahrungen. Der Sachunterricht greift diese auf und öffnet den Schülerinnen und Schülern Räume zum Explorieren und Experimentieren. Auf diese Weise wird das Interesse an den Naturwissenschaften geweckt und naturwissenschaftliches Denken angeregt und gefördert. Wichtig hierbei sind Experimente oder Unterrichtsarrangements, die auf wirkliches Verstehen abzielen. Diese sollten die Schülerinnen und Schüler zunächst in eine entsprechende Fragehaltung versetzen und ermutigen, eigene Hypothesen aufzustellen. Anschließend werden die Hypothesen mithilfe eines Experiments oder Unterrichtsarrangements von den Schülerinnen und Schülern selbst überprüft, gemeinsam erörtert und gegebenenfalls selbst oder durch Modelle und Repräsentationen korrigiert und erweitert.