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1. Leitgedanken zum Kompetenzerwerb

1.1 Bildungswert des Faches Alltagskultur, Ernährung, Soziales (AES)

Menschen gestalten ihren privaten Alltag ganz unterschiedlich. Entsprechend ihres Lebensstils und den damit verbundenen Wertorientierungen sowie verfügbaren Ressourcen entwickeln sie Routinen und Handlungsmuster, um sich den alltäglichen Herausforderungen zu stellen. Kontinuierliche technische und gesellschaftliche Entwicklungen, umfassende Konsummöglichkeiten sowie veränderte Anforderungen der Berufs- und Arbeitswelt prägen den Alltag und das Zusammenleben der Menschen. Für verantwortungsbewusstes und nachhaltiges Entscheiden und Handeln im Alltag benötigen die Schülerinnen und Schüler Kompetenzen, die sie nur bedingt über Sozialisation und Zusammenleben erwerben. In den Handlungsfeldern „Alltagskultur“, „Ernährung“ und „Soziales“ entwickeln die Schülerinnen und Schüler Handlungskompetenzen für die Alltagsbewältigung und Alltagsgestaltung, des weiteren erhalten sie wertvolle Impulse zur Persönlichkeitsentwicklung und zur beruflichen Orientierung.

Alltagskultur

Kinder und Jugendliche leben in vielfältigen Lebenszusammenhängen mit unterschiedlichen kulturellen Einflüssen und bringen daher eine Vielfalt von Alltagserfahrungen mit in den Unterricht. In einer zunehmend komplexen Welt werden von ihnen, jetzt und in der Zukunft, verantwortungsbewusste Entscheidungen im Alltag erwartet, die Konsequenzen für ihr individuelles Handeln, aber auch Auswirkungen auf Mitmenschen und Umwelt haben. „Alltagskultur, Ernährung, Soziales“ legt die Grundlage für verantwortungsvolles Handeln, um gesellschaftliche Teilhabe wahrnehmen zu können.

Ernährung

Die Förderung der Ernährungsbildung ist ein wichtiges Anliegen des Faches. Das Ernährungsverhalten im privaten Haushalt sowie in der Gemeinschafts- und Außerhausverpflegung beeinflusst die Esskultur, das Zusammenleben und damit in hohem Maß die Alltagskultur. Durch die gezielte Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Perspektiven der Ernährung und des Essens werden die Schüler und Schülerinnen befähigt, ihr Handeln mündig, verantwortlich für sich und andere zu gestalten. Die reflektierte Auseinandersetzung mit Ernährung stellt einen zentralen Bestandteil der alltäglichen Lebensführung dar und hat gesellschaftspolitische und gesundheitsfördernde Bedeutung.

Soziales

Alltagskultur wird durch das soziale Miteinander stark geprägt. Ausgehend von vielfältigen Erfahrungen aus dem Zusammenleben in Haushalten, familiären Kontexten und anderen Sozialverbänden werden Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, gezielt auch für das bürgerschaftliche Engagement, erweitert. Die Selbstgestaltungskompetenz wird gestärkt und die Wechselwirkungen des individuellen Handelns auf Mit- und Umwelt reflektiert.

Beitrag des Faches zu den Leitperspektiven

Für das Fach „Alltagskultur, Ernährung, Soziales“ sind folgende Leitperspektiven im alltagskulturellen Kontext bedeutsam:

  • Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
    Menschen verfügen über unterschiedliche materielle und immaterielle Ressourcen. In der alltäglichen Lebensbewältigung werden kontinuierlich Entscheidungen getroffen, die Auswirkungen auf die Beziehung Mensch – Mensch und auf die Beziehung Mensch – Umwelt haben. Durch die Auseinandersetzung mit ausgewählten und lebensweltbezogenen Fragestellungen werden diese Beziehungen reflektiert und somit verantwortungsvolles Alltagshandeln gefördert.
  • Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV)
    Die private Lebensführung wird maßgeblich durch Einstellungen, Werte und Normen, aber auch durch individuelle Fähigkeiten geprägt. Es entstehen häufig Dilemmata und Konflikte, die bewältigt werden müssen. Empathie- und Kritikfähigkeit, die Akzeptanz anderer Meinungen und die Toleranz gegenüber anderen Kulturen sowie Normen und Leitbildern sind wichtige überfachliche Kompetenzen für die Bewältigung der Herausforderungen im Alltag.
  • Prävention und Gesundheitsförderung (PG)
    Die Leitperspektive Prävention und Gesundheitsförderung ist im Sinne der „Health Literacy“ durchgängig umgesetzt. Grundprinzip des Unterrichts ist das salutogenetisch-orientierte Lernen. Das heißt, die Schülerinnen und Schüler können sich als selbstwirksam erfahren und ihre Gesundheitsressourcen im Sinne der Kohärenz ausbauen. Ernährungs- und gesundheitsbezogene Fragestellungen führen zu einer Auseinandersetzung mit wichtigen Aspekten dieser Leitperspektive.
  • Berufliche Orientierung (BO)
    Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit ihren Zukunftsvorstellungen auseinander und überlegen, wie ihre Vorstellungen zur künftigen privaten Lebensplanung mit ihren Berufswünschen aufeinander abstimmbar sind. Spezifische Potenziale und Stärken werden mit Anforderungen aus sozialen, ernährungs- und gesundheitsbezogenen Berufsfeldern verglichen.
  • Medienbildung (MB)
    Die mediale Durchdringung beeinflusst die Bedarfe und Lebensstile der Heranwachsenden und prägt deren Alltagsgestaltung. Fragen nach dem kompetenten Umgang und der sinnvollen Nutzung medialer Angebote verdeutlichen aktuelle Herausforderungen. Neben der Analyse und Reflexion von Werbung und Marketing bieten sich im Fach viele weitere Anlässe, Medien zu thematisieren und zu nutzen.
  • Verbraucherbildung (VB)
    Zentrales Anliegen des Faches ist es, kontinuierlich die Konsumkompetenz der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Für Problemstellungen von Individuen beziehungsweise von privaten Haushalten werden lebensweltbezogene Lösungen gesucht und erörtert. Dabei spiegeln sich die Teilkompetenzen der Leitperspektive Verbraucherbildung direkt in inhaltsbezogenen Kompetenzen des Faches wider.

1.2 Kompetenzen

Die für das Fach entwickelten Bildungsstandards orientieren sich in zentralen Bereichen an der didaktischen Konzeption des REVIS Rahmencurriculums Ernährungs- und Verbraucherbildung, am Konzept der Alltäglichen Lebensführung, am Konzept der Neuen Hausarbeit, am Modell der Gesundheitsfördernden Schule und am internationalen Modell der Consumer Citizenship Education. „Alltagskultur, Ernährung, Soziales“ versteht sich als interdisziplinäres Fach, das gleichermaßen natur- und gesellschaftswissenschaftliche Inhalte berücksichtigt.

Prozessbezogene und inhaltsbezogene Kompetenzen (© Landesinstitut für Schulentwicklung)
Abbildung 1 Grafik erstellt von Kommission

Prozessbezogene Kompetenzen

Erkenntnisse gewinnen: Um im Alltag kompetent handeln zu können sind grundlegende, auf alltagskulturelle Handlungssituationen bezogene, Kenntnisse wichtig. Der Unterricht bietet den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, Wissen zu erwerben, mit Erfahrungen zu verknüpfen, zu reflektieren und dadurch Erkenntnisse zu gewinnen.

Kommunikation gestalten: Über kompetenz- und handlungsorientierte Aufgaben- und Problemstellungen machen die Schülerinnen und Schüler Erfahrungen und gewinnen Erkenntnisse, die im Unterricht kommuniziert, erörtert, präsentiert und ausgewertet werden.

Entscheidungen treffen: Die Schülerinnen und Schüler erweitern ihre Entscheidungsfähigkeiten, indem sie Strategien und Kriterien für unterschiedliche Entscheidungssituationen begründet entwickeln.

Anwenden und gestalten: Durch eine fachpraktische oder handlungsorientierte Auseinandersetzung ergeben sich Problem- und Aufgabenstellungen, denen im Unterrichtsfortgang Rechnung getragen wird. Erworbene Kenntnisse sowie Fähig- und Fertigkeiten werden durch den Transfer auf fachpraktische und handlungsorientierte Unterrichtsarrangements erprobt und angewendet.

Inhaltsbezogene Kompetenzen

Themen entwickeln – Kompetenzen integrieren: Die Kompetenzfelder „Lernen durch Engagement“, „Ernährung“, „Gesundheit“, „Konsum“, „Lebensgestaltung und Lebensbewältigung“ (Klassen 7–9) beziehungsweise „Ernährung und Gesundheit“, „Lebensgestaltung und Konsum“ (Klasse 10) werden miteinander verzahnt und stellen keine voneinander abgegrenzten Inhaltsbereiche dar. Vor Ort werden Unterrichtsthemen entwickelt, die verschiedene inhaltsbezogene Kompetenzen aus unterschiedlichen Kompetenzfeldern, auch fächerübergreifend, miteinander vernetzen. Diese Themen können in unterschiedlicher Reichweite konzipiert und entsprechend auf die individuelle Sphäre, das soziale Gefüge oder auf gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge abgestimmt werden. Bei der Themenentwicklung ist die spiralcurriculare Weiterentwicklung der Kompetenzen zu berücksichtigen.

Lernen durch Engagement: Ziel dieses Kompetenzfeldes ist es, den Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, ein Projektvorhaben eigenständig zu planen, durchzuführen und zu reflektieren. Die Lernenden setzen sich dabei unter anderem mit den Wirkungen des Ehrenamts für Individuum, Sozialverband und Gesellschaft auseinander und erleben sich als Akteure im Gemeinwesen.

Von Klasse 7 bis 9 muss mindestens ein Projektvorhaben durchgeführt werden; es können auch mehrere (Klein‑)Projekte umgesetzt werden. Je nach didaktischer Konzeption können Kompetenzen der oben genannten Kompetenzfelder während des Projektverlaufs integrativ erworben werden. Im Fachunterricht erworbene Kenntnisse, Fähig- und Fertigkeiten sollen im Projektvorhaben Anwendung finden.

1.3 Didaktische Hinweise

Ziel des Faches „Alltagskultur, Ernährung, Soziales“ ist es, für die private Lebensführung relevante Lernprozesse zu initiieren. Die Schülerinnen und Schüler sollen befähigt werden, ihren Alltag, gegenwärtig und künftig, in komplexen, zukunftsoffenen Situationen selbstorganisiert, verantwortungsvoll, kreativ zu gestalten und zu bewältigen.

Um kompetenzorientiertes Lernen zu ermöglichen, müssen Lehr- und Lernprozesse aufeinander aufbauend geplant werden. Der Erwerb von Wissen allein ist nicht handlungsleitend für die Gestaltung von Unterricht. Dem Verstehen von Zusammenhängen und der Bereitschaft, sich mit einer Problem- und Aufgabenstellung auseinanderzusetzen, muss ebenso Raum gegeben werden wie dem Erproben und Üben neuer Handlungsmuster sowie der Reflexion des eigenen Handelns und Denkens und der kritischen Auseinandersetzung mit eigenen Normen und Werten. Einen adäquaten Kompetenzaufbau erreicht man durch die Gestaltung entsprechender Unterrichtsarrangements. Dies kann nur gelingen, wenn Unterrichtsthemen, ‑inhalte und Unterrichtsprozesse sinnvoll ineinandergreifen.

Die Entwicklung der Themen erfolgt an den Schulen auf Basis des Lebensweltbezugs der Schülerinnen und Schüler, der Interessen der Lernenden und Lehrenden sowie der heterogenen Lernausgangslagen. Durch die Bearbeitung vielfältiger Aufgabenstellungen, die Auseinandersetzung mit fachpraktischen Aktivitäten, die Integration projektorientierten Lernens, die Einbindung von Expertinnen und Experten in den Unterricht sowie durch Erkundungen und Lerngänge gewinnen die Schülerinnen und Schüler vielfältige Einblicke und Erfahrungen, auch hinsichtlich ihrer zukünftigen Berufswahl.

Wichtiges Unterrichtsprinzip stellt die Erfahrungs- und Handlungsorientierung dar.

Erfahrungs- und handlungsorientiertes Lernen
Durch praktisches Tun erhalten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, in Lehr- und Lernarrangements Erfahrungen zu machen. Die tätige Auseinandersetzung kann Motivation und Interesse initiieren und Möglichkeiten für Selbstwirksamkeitserfahrungen bieten. Grundlegend für das erfahrungs- und handlungsorientierte Lernen ist jedoch die gezielte Reflexion der im Handeln gemachten Erfahrungen auf einen Sachverhalt oder eine Problem- und Fragestellung hin. Erst durch eine Verknüpfung von im praktischen Tun gewonnenen Erfahrungen mit Kenntnissen und Bewertungen werden nachhaltige Lernprozesse initiiert.

Im Fach „Alltagskultur, Ernährung, Soziales“ erleben sich die Lernenden als Gestaltende des eigenen Lernens und Handelns. Sie stehen als „Subjekte“ im Zentrum des Unterrichts. Folgende Prinzipien werden im Fachunterricht im Sinne des subjektorientierten Lernens berücksichtigt:

Lebensweltorientiertes Lernen
Ausgangspunkt des Unterrichts sind die Lebenswelten der Schülerinnen und Schüler, ihre im Alltag erworbenen Erfahrungen und gewonnenen (Vor‑)Kenntnisse. Lehr- und Lernprozesse müssen so angelegt sein, dass sie an den jeweiligen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler ansetzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass alltägliche Erfahrungen auf mehr oder weniger fundierten (Fach‑)Kenntnissen beruhen und Einstellungen sowie Prägungen mit eingebracht werden.
Die Reflexion des Handelns im Alltag stellt deshalb ein übergeordnetes Ziel des Unterrichts dar. Der Unterricht berührt dabei die ganz persönliche Lebensführung, den „privaten Raum“, entsprechend sensibel sollten die Lernimpulse gesetzt werden. Schlussendlich sollen die Schülerinnen und Schüler ihre Lernerfahrungen annehmen, diese auf ihre alltägliche Lebensführung beziehen und, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, in ihre alltagskulturellen Strukturen integrieren.

An Präkonzepten und subjektiven Theorien orientiertes Lernen
Vorhandenes Wissen und bereits erworbene Fähig- und Fertigkeiten bieten Anknüpfungsmöglichkeiten für schulisches Lernen und können dieses erleichtern. Das im Alltag erworbene Erfahrungswissen ist jedoch oft eher zufällig und von biografisch erworbenen Routinen und subjektiven Zugängen geprägt. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Präkonzepten und subjektiven Theorien ermöglicht die Entwicklung von Handlungskompetenzen, da Einstellungen und Barrieren thematisiert und Wissensbestände überprüft werden.

Salutogenetisch-orientiertes Lernen
Lehr- und Lernarrangements müssen verstehbar, handhabbar und für die Lernenden bedeutsam sein. Salutogenetisch-orientiertes Lernen schafft den Lernenden Möglichkeiten, Selbstwirksamkeitserfahrungen zu machen. Ein passendes Anforderungsniveau der Problem- und Aufgabenstellungen ist ein Gelingensfaktor salutogenetisch-orientierten Lernens. Der Heterogenität der Lernausgangslagen wird Rechnung getragen, indem Anforderungen dem individuellen Lernstand der Schülerinnen und Schüler entsprechen und so von ihnen als Herausforderung wahrgenommen werden können.

Ein Fachunterricht, der ein an diesen didaktischen Prinzipien orientiertes Lernen ermöglicht, kann die Schülerinnen und Schüler motivieren, sich, auch über das schulische Lernen hinaus, mit neuen und aktuellen Problemen zu befassen.



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