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1. Leitgedanken zum Kompetenzerwerb

1.1 Bildungswert des Faches Biologie

Die Biologie versteht sich heute als eine interdisziplinäre und vernetzte Wissenschaft. Grundlegende biologische Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten werden – im Sinne einer Systemtheorie – auf unterschiedlich komplexen Systemebenen von den Molekülen über Zellen, Gewebe, Organe, Organismen bis zum Ökosystem und der Biosphäre erklärt.

Biologische Phänomene beeinflussen nahezu alle Lebensbereiche des Menschen. Ihre Erschließung trägt wesentlich zum Selbstverständnis des Menschen als Teil der lebendigen Natur bei. Neuere Erkenntnisse aus den Bereichen Gesundheit und Ernährung, Bio- und Gentechnik und Ökologie wirken sich direkt auf die persönliche Lebensgestaltung aus. Die Neurobiologie erklärt Prozesse von Lernvorgängen und die Subjektivität unserer Wahrnehmung. Kenntnisse über Anatomie und Physiologie schaffen die Grundlagen für Maßnahmen zu Prävention und Gesundheitsförderung. Die Aussagen der Evolutionstheorie beeinflussen in hohem Maße unser Selbstverständnis und unser Weltbild.

Bei vielen gesellschaftsrelevanten Fragestellungen sind biologische Kenntnisse Voraussetzung für eine fundierte Entscheidungsfindung. Sie fließen in politische Diskussionen ein und helfen, Entscheidungen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu treffen. Die Bedeutung der Erhaltung der Biodiversität erfordert neben Artenkenntnis ein grundlegendes Verständnis von Prozessen in Ökosystemen.

Beitrag des Faches zu den Leitperspektiven

Das Fach Biologie leistet einen wichtigen Beitrag zu vielen Leitperspektiven. Besondere Bedeutung kommt den Leitperspektiven Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), Prävention und Gesundheitsförderung (PG), Verbraucherbildung (VB) und Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV) zu.

Um den ganzheitlichen Ansatz zu unterstützen, ist es sinnvoll, die unten genannten Themen auch außerhalb des Biologieunterrichts dauerhaft im Schulcurriculum zu implementieren, zum Beispiel durch fächerübergreifende Projekt- oder Aktionstage.

  • Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
    Das Fach Biologie leistet einen grundlegenden Beitrag zur Bildung für nachhaltige Entwicklung. Auswirkungen von Eingriffen des Menschen auf die Umwelt können umso besser erklärt werden, je genauer Wechselwirkungen und Stoffkreisläufe bekannt sind. Zu einer Bildung für nachhaltige Entwicklung gehören fundierte Kenntnisse über heimische Ökosysteme, die Herkunft und Produktion unserer Nahrung sowie Nutzen und Risiken der Gentechnik. Diese befähigen zu einem persönlichen Handeln in globaler Verantwortung.
    Die im Fach Biologie erworbenen Kenntnisse stärken das Bewusstsein für die Möglichkeiten und Notwendigkeit nachhaltigen Handelns im Sinne der Leitperspektive Bildung für nachhaltige Entwicklung. Durch die im Unterricht erworbenen Kompetenzen werden die Schülerinnen und Schüler zu verantwortungsvollem und umweltbewusstem Handeln in lokalen und globalen Zusammenhängen angeregt.
  • Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV)
    Zur Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt kann die Biologie bei einzelnen Themen beitragen. Beim Thema Fortpflanzung und Entwicklung kann eine Toleranz für unterschiedliche Formen der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität vermittelt werden. Bei weiteren gesellschaftlich relevanten biologischen Themen wie Gentechnik, Reproduktionsbiologie und unterschiedliche Ernährungsweisen wird die Akzeptanz verschiedener Einstellungen gefördert.
  • Prävention und Gesundheitsförderung (PG)
    Traditionell kommt dem Fach Biologie eine wichtige Rolle bei den Themen Prävention und Gesundheitsförderung zu. Darunter wird nicht nur die Vermeidung von gesundheitsschädlichem Verhalten, sondern auch die Stärkung von Resilienz verstanden.
    Der Mensch selbst ist Gegenstand des Biologieunterrichts. Dies trägt dazu bei, dass sich Kinder und Jugendliche altersangemessen mit ihrem Körper auseinandersetzen, und fördert ein gesundheitsbewusstes und umweltverträgliches Handeln, sowohl in individueller als auch in gesellschaftlicher Verantwortung. Das Fach Biologie kann wichtige Beiträge zur Bedeutung von gesunder Ernährung, zur Stressbewältigung und einem ressourcenschonenden Leben liefern.
    Mit der Vermittlung prozessbezogenen Kompetenzen und der Handlungsorientierung unterstützt der Biologieunterricht die Entwicklung von Selbstregulation und das Erleben von Selbstwirksamkeit.
    Damit Primärprävention hinsichtlich Drogenkonsum, Stressbelastung und sozialer Deprivation wirkungsvoll angeboten werden kann, ist das Zusammenwirken mehrerer Fächer notwendig.
  • Berufliche Orientierung (BO)
    Der immense Wissenszuwachs in den letzten Jahrzehnten innerhalb vieler Teilgebiete der Naturwissenschaft Biologie hat dazu geführt, dass neue Studienfächer und Berufsfelder entstanden sind. Durch das vielfältige praktische Arbeiten in Biologie können die Schülerinnen und Schüler Interesse an den Naturwissenschaften entwickeln und gegebenenfalls ihre individuellen Stärken erkennen. Die theoretische und praktische Auseinandersetzung mit biologischen Themen leistet einen Beitrag zur besseren Akzeptanz von MINT-Berufen. Im Unterricht und bei Exkursionen an außerschulische Lernorte lernen die Schülerinnen und Schüler anwendungsbezogene biologische Berufsfelder kennen. Auf diese Weise kann der Biologieunterricht auch einen Beitrag zur beruflichen Orientierung leisten.
  • Medienbildung (MB)
    Zur Medienbildung gehören sehr vielfältige Bereiche wie die verantwortungsbewusste Nutzung von Informationstechnologien oder das selbstbestimmte Leben in einer Mediengesellschaft. Im Biologieunterricht kommen vielfältige Medien als Informationsquelle und zur Veranschaulichung zum Einsatz. Sowohl bei der Erarbeitung von fachlichen Inhalten als auch bei der Präsentation von Arbeitsergebnissen greifen die Schülerinnen und Schüler in Biologie auf verschiedene Medien zurück und üben so deren Umgang.
  • Verbraucherbildung (VB)
    Die Entwicklung eines selbstbestimmten und verantwortungsbewussten Verbraucherverhaltens setzt ein grundlegendes Verständnis über die eigenen Bedürfnisse und globale Zusammenhänge voraus. Hierbei leistet die Biologie durch humanbiologische und ökologische Themen einen Beitrag zum Verständnis komplexer Zusammenhänge.

1.2 Kompetenzen

Der moderne, kompetenzorientierte Biologieunterricht ermöglicht den Schülerinnen und Schülern eine aktive Teilnahme an der wissenschaftlichen Diskussion. Zu biologischen Problemstellungen können sie begründet Stellung beziehen sowie individuelle und gesellschaftliche Handlungsweisen begründet bewerten. Dazu sind inhalts- und prozessbezogene Kompetenzen notwendig. Die inhaltsbezogenen Kompetenzen umfassen das Fachwissen über Lebewesen, biologische Prozesse und Zusammenhänge. Die prozessbezogenen Kompetenzen beschreiben die Handlungsebene. Sie werden in die Bereiche Erkenntnisgewinnung, Kommunikation und Bewertung unterteilt.

Inhalts- und prozessbezogene Kompetenzen werden im Bildungsplan getrennt aufgeführt, im Unterrichtsprozess können sie nur gleichzeitig, gemeinsam und miteinander verwoben erworben werden.

Prozessbezogene Kompetenzen

In der Biologie geht die Erkenntnisgewinnung, wie in allen Naturwissenschaften, häufig von exakter Beobachtung bestimmter Phänomene aus. Sie werden durch hypothesengeleitetes Experimentieren weiter untersucht. Die Anwendung und Entwicklung von Modellen ist ein wichtiges Mittel, um Erkenntnisse darzustellen oder zu erklären.

Kompetenzorientiertes Lernen im Biologieunterricht vollzieht sich in der handelnden Auseinandersetzung mit biologischen Fragestellungen. Dies erfordert die Beherrschung fachspezifischer Denk- und Arbeitsweisen. Kommunikative Fähigkeiten werden durch die Beschaffung, den Austausch und die Weitergabe von Informationen gebildet. Dabei werden die Schülerinnen und Schüler befähigt, bei verschiedenen biologischen Themen deren gesellschaftliche Bedeutung zu erkennen. Der Bereich Bewertung schließt neben deskriptiven auch ethische Betrachtungen ein. Die Schülerinnen und Schüler können gesellschaftlich relevante biologische Themen diskutieren, bewerten, Verantwortung zeigen, begründete Haltungen und Handlungsoptionen entwickeln.

Inhaltsbezogene Kompetenzen

Die inhaltsbezogenen Kompetenzen werden im Fach Biologie entsprechend den KMK-Standards zum Mittleren Bildungsabschluss durch die drei Basiskonzepte System, Struktur und Funktion sowie Entwicklung strukturiert. Die biologischen Prinzipien sind diesen Basiskonzepten zugeordnet (siehe Grafik).

System: Gegenstand der Biologie sind lebendige Systeme, die auf unterschiedlichen Strukturebenen betrachtet werden: Zelle, Gewebe, Organ, Organismus, Ökosystem und Biosphäre. Es handelt sich um offene Systeme, die in ständigem Austausch mit der Umwelt stehen. Sie betreiben Stoff- und Energieumwandlung, stehen in Wechselwirkung untereinander und kommunizieren durch Austausch von Informationen. Lebende Systeme besitzen die Fähigkeit zu Steuerung und Regelung.

Struktur und Funktion: Häufig lassen sich biologische Strukturen über deren Funktionen verstehen. Struktur und Funktion bedingen einander gegenseitig. Auf der Ebene der Zellen und Organe lassen sich Beispiele für das Basiskonzept Struktur und Funktion finden: Oberflächenvergrößerung, Gegenspieler- und Schlüssel-Schloss-Prinzip. Auf der Ebene der Organismen gibt es viele Struktur- und Funktionsbeziehungen, die mit deren Lebensweise und Umwelt zusammenhängen und als Angepasstheit zusammengefasst werden.

Entwicklung: Biologische Systeme entwickeln und verändern sich. Die Individualentwicklung findet auf der Ebene der Zellen und Organismen statt. Keimung, Wachstum oder der Lebenszyklus vom Embryo bis zum Tod sind Beispiele hierfür.

Evolutionäre Entwicklung ist gekennzeichnet durch die Veränderung von Populationen. Mutationen, Neukombination der Gene und Selektionsprozesse halten diesen Prozess aufrecht und sichern den Fortbestand vielfältigen Lebens, auch bei sich ändernden Umweltbedingungen.

Inhaltsbezogene und prozessbezogene Kompetenzen (© Landesinstitut für Schulentwicklung)
Abbildung 1: Inhaltsbezogene und prozessbezogene Kompetenzen  (Quelle: Bildungsplankommission Biologie)

1.3 Didaktische Hinweise

Der Biologieunterricht ist geprägt durch den naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnungsprozess: Beobachtungen führen zu Fragestellungen, aus denen sich begründete Vermutungen und Möglichkeiten der Überprüfung, auch durch Experimente, ergeben. Die Schülerinnen und Schüler lernen Phänomene des Lebendigen zu hinterfragen und schrittweise Erkenntnisse zu gewinnen. In den unteren Klassenstufen werden biologische Phänomene auf der Ebene von Organismen und Organen thematisiert. In den höheren Klassen werden viele Lebensvorgänge und Stoffwechselprozesse auf zellulärer Ebene erklärt.

Im Biologieunterricht haben Fragestellung, Hypothesenbildung und deren Überprüfung eine große Bedeutung, weil dadurch eine Problemorientierung erzielt und das erworbene Wissen angewendet wird.

Mithilfe der Basiskonzepte werden die Inhalte über die Klassenstufen hinweg vernetzt. Beispielsweise werden in den unteren Klassenstufen Angepasstheiten von Lebewesen beschrieben und in den höheren Klassen auf ihre ökologischen Bedingungen und stammesgeschichtlichen Ursachen zurückgeführt. Die prozessbezogenen Kompetenzen werden schrittweise an biologischen Inhalten erworben und über Jahre weiterentwickelt. Experimentierkompetenz erwerben die Schülerinnen und Schüler zunächst durch einfache Versuche, die nach Anleitung durchgeführt werden. Zunehmend können sie selbstständig Fragestellungen formulieren, Hypothesen bilden, Experimente planen, durchführen und ihre Ergebnisse auswerten. Dabei üben sie Protokollieren, Präsentieren und Diskutieren. Die richtige Verwendung biologischer Arbeitsgeräte wird auf allen Altersstufen regelmäßig geübt, sie ist Voraussetzung für selbstständiges experimentelles Arbeiten.

Modelle sind ein wichtiges Mittel zur Erkenntnisgewinnung. Die Arbeit mit Modellen geht von der Anwendung einfacher Struktur- und Funktionsmodelle aus und entwickelt sich zur Bildung und Erklärung komplexer Systemmodelle. Die kritische Betrachtung von Modellen dient der Vertiefung der Modellkompetenz.

Die Begeisterungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler gegenüber allem Lebendigen kann im Biologieunterricht genutzt werden, um Neugier und Interesse an der näheren Beschäftigung mit dem Makro- und Mikrokosmos zu wecken. Faszination begünstigt nachhaltiges Lernen. Der Biologieunterricht geht von konkreten Situationen aus und erzeugt durch unmittelbare Begegnung mit dem Lebendigen Lebensweltbezug. Praktische Erkundungen in schulnahen Ökosystemen und Experimente fördern selbstständiges und entdeckendes Lernen. Diesen ist unbedingt Raum zu geben. Die Schülerinnen und Schüler können ihren Beobachtungsinteressen in der Natur und ihren kreativen Impulsen nachgehen und so durch originäre Naturerfahrungen die biologische Vielfalt kennen und schätzen lernen. Beobachtungen und Untersuchungen im Freiland erfordern die Beachtung von Regeln zum Artenschutz und Naturschutz. Somit leistet das Fach Biologie einen wesentlichen Beitrag zur Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Kompetenzorientierter Biologieunterricht ist handlungsorientiert, es finden regelmäßig Beobachtungen, Untersuchungen und Experimente statt. Anschaulichkeit entsteht weiterhin durch vielfältigen Medieneinsatz, insbesondere durch Realobjekte, Filmausschnitte, Modelle und Grafiken. Arbeitsweisen wie Sammeln und Ordnen, Präparieren und Zeichnen, Beobachten und Untersuchen, Experimentieren und Interpretieren schaffen auf allen Altersstufen einen analysierenden und erklärenden Zugang zu biologischen Phänomenen.

Als Wissenschaft vom Leben und seiner Aufrechterhaltung erfüllt die Biologie einen wesentlichen Beitrag zu einer ganzheitlichen Bildung.


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