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Philosophie

Jahrgangsstufe 1 oder 2

Vorbemerkungen

Fachbezogene Vorbemerkungen

1. Fachspezifischer Bildungsauftrag (Bildungswert des Faches)
Ziel des Philosophieunterrichts ist die philosophische Problemreflexion und die Förderung der damit verbundenen Kompetenzen. Die Schülerinnen und Schüler sollen befähigt werden, selbstständig zu philosophieren, d. h. grundlegende Fragestellungen des Mensch- und In-der-Welt-Seins wahrzunehmen und methodisch geleitet vor dem Hintergrund der philosophischen Tradition zu reflektieren. Dem Charakter philosophischer Fragen entsprechend, die sich nicht mit der „einen“ Antwort beantworten lassen, gilt als zentraler Grundsatz die Problemorientierung. Philosophieren nimmt seinen Ausgang von konkreten Phänomenen des individuellen und gesellschaftlichen Lebens und stellt scheinbar selbstverständliche Gewissheiten in Frage. Hierbei kommt dem neugierigen Nach- und Hinterfragen, dem Perspektivwechsel und intersubjektiven Austausch sowie dem Selbst-Denken elementare Bedeutung zu. Um diese Grundausrichtung zu fördern, sind auch die jeweiligen Inhalte der Bildungsplaneinheiten als Fragen formuliert.
Bei der Erarbeitung und Reflexion grundsätzlicher Fragen und Probleme menschlichen Lebens lassen sich drei Perspektiven unterscheiden:
  • Die individuelle Perspektive nimmt eigene bedeutsame und existenzielle Erfahrungen in den Blick und setzt sie ins Verhältnis zu denen anderer Menschen.
  • Die gesellschaftliche Perspektive beleuchtet Phänomene des Zusammenlebens und kollektive Welt- und Wertvorstellungen mit ihren unterschiedlichen Ausprägungen in verschiedenen Gesellschaften.
  • Die historisch-theoretische Perspektive macht die ideengeschichtlichen Ansätze der philosophischen Tradition sowie die Erkenntnisse der empirischen Bezugswissenschaften fruchtbar.

Diese drei Dimensionen durchdringen einander und kennzeichnen insgesamt die Bearbeitung der jeweiligen Inhalte. Philosophische Theorien sind nicht als Selbstzweck zu verstehen, sondern bilden ein wichtiges Element einer authentischen und ganzheitlichen Auseinandersetzung mit wirklichen Grundfragen menschlichen Seins.

2. Fachliche Aussagen zum Kompetenzerwerb, prozessbezogene Kompetenzen
Das Fach Philosophie versteht sich als Fach, welches die Reflexionskompetenzen der Schülerinnen und Schüler stärken und weiterentwickeln will. Dabei ist grundsätzlich eine Methodenvielfalt anzustreben, da keine philosophische Methode für sich einen Anspruch auf Überlegenheit beanspruchen kann. Insofern können sprachanalytische, phänomenologische, hermeneutische sowie dialektische Methoden je nach Thema angewandt werden. Der Erwerb einer philosophischen Reflexionskompetenz entfaltet sich einerseits in einer Wahrnehmungs- und Deutungskompetenz, die jeweils die Fähigkeiten des Erkennens und Beschreibens in den Vordergrund rückt, andererseits in einer Argumentations- und Urteilskompetenz, die das kritische Überprüfen der eigenen Argumentation im Rahmen einer Auseinandersetzung mit philosophischen Fragestellung als Ziel vor Augen hat. Als dritte Kompetenz, die auf die ersten beiden aufbaut, ist die Darstellungskompetenz zu berücksichtigen. Hier sollen die Schülerinnen und Schüler die Fähigkeit erwerben, ihre Positionen und Sichtweisen in unterschiedlichen – auch philosophischen – Schreibformen adäquat mitzuteilen. (vgl. Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Philosophie der KMK i. d. F. vom 16.11.2006)
Der Erwerb dieser Kompetenzen soll mit den Inhalten der gewählten Bildungsplaneinheiten verbunden und im Verlauf des Schuljahres kontinuierlich weiterentwickelt werden. Wird der Philosophieunterricht in der Jahrgangsstufe 2 angeboten, ist der zeitliche Umfang der jeweiligen Einheiten entsprechend anzupassen. Neben den in den einzelnen Bildungsplaneinheiten beschriebenen Kompetenzen verfolgt der Philosophieunterricht auch langfristige und ganzheitliche Ziele im Bereich der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und einer Selbstverortung in Bezug auf die angesprochenen philosophischen Fragen und Diskurse.

3. Ergänzende fachliche Hinweise
Philosophische Theorie weist oft schon sprachlich einen hohen Abstraktionsgrad auf. Daher ist im Unterricht methodisch neben präziser Begrifflichkeit besonders auf Verständlichkeit des Ausdrucks und Anschaulichkeit zu achten.
Die Auseinandersetzung mit philosophischen und existenziellen Fragestellungen ist von jeher auch Inhalt künstlerischen Schaffens. Daher wird – wo sinnvoll – neben der Arbeit mit Theorietexten der Einbezug von z. B. Literatur, Aphorismen, Film, bildender Kunst etc. empfohlen.
Der Bildungsplan Philosophie berücksichtigt die Vielfalt der Schulprofile und die heterogenen Vorerfahrungen der Schülerinnen und Schüler. Aus den Bildungsplaneinheiten 2 bis 8 sind für das Schuljahr zwei Einheiten auszuwählen, dabei können auch Themen oder Fächer verbindende Aspekte ein Kriterium sein. Verpflichtend ist die Behandlung der ersten Bildungsplaneinheit, da hier grundlegende Denk‑, Gesprächs- und Schreibformen der Philosophie erarbeitet und angewendet werden.

Hinweise zum Umgang mit dem Bildungsplan
Der Bildungsplan zeichnet sich durch eine Inhalts- und eine Kompetenzorientierung aus. In jeder Bildungsplaneinheit (BPE) werden in kursiver Schrift die übergeordneten Ziele beschrieben, die durch Zielformulierungen sowie Inhalts- und Hinweisspalte konkretisiert werden. In den Zielformulierungen werden die jeweiligen fachspezifischen Operatoren als Verben verwendet. Operatoren sind handlungsinitiierende Verben, die signalisieren, welche Tätigkeiten beim Bearbeiten von Aufgaben erwartet werden. Die für das jeweilige Fach relevanten Operatoren sowie deren fachspezifische Bedeutung sind jedem Bildungsplan im Anhang beigefügt. Durch die kompetenzorientierte Zielformulierung mittels dieser Operatoren wird das Anforderungsniveau bezüglich der Inhalte und der zu erwerbenden Kompetenzen definiert. Die formulierten Ziele und Inhalte sind verbindlich und damit prüfungsrelevant. Sie stellen die Regelanforderungen im jeweiligen Fach dar. Die Inhalte der Hinweisspalte sind unverbindliche Ergänzungen zur Inhaltsspalte und umfassen Beispiele, didaktische Hinweise und Querverweise auf andere Fächer bzw. BPE.
Der VIP-Bereich des Bildungsplans umfasst die Vertiefung, individualisiertes Lernen sowie Projektunterricht. Im Rahmen der hier zur Verfügung stehenden Stunden sollen die Schülerinnen und Schüler bestmöglich unterstützt und bei der Weiterentwicklung ihrer personalen und fachlichen Kompetenzen gefördert werden. Die Fachlehrerinnen und Fachlehrer nutzen diese Unterrichtszeit nach eigenen Schwerpunktsetzungen auf Basis der fächerspezifischen Besonderheiten und nach den Lernvoraussetzungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler.
Der Teil „Zeit für Leistungsfeststellung“ des Bildungsplans berücksichtigt die Zeit, die zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Leistungsfeststellungen zur Verfügung steht. Dies kann auch die notwendige Zeit für die gleichwertige Feststellung von Schülerleistungen (GFS), Nachbesprechung zu Leistungsfeststellungen sowie Feedback-Gespräche umfassen.


* Es sind zwei der BPE 2 – 8 zu unterrichten.

Jahrgangsstufe 1 oder 2

Vertiefung – Individualisiertes Lernen – Projektunterricht (VIP)

20

Vertiefung

Individualisiertes Lernen

Projektunterricht

z. B.
Übungen
Anwendungen
Wiederholungen
z. B.
Selbstorganisiertes Lernen
Lernvereinbarungen
Binnendifferenzierung
z. B.
Philosophische Ganzschrift, Ausstellungsbesuch, philosophischer Spaziergang, philosophische Vernissage, Filmanalyse, Medienanalyse, Planspiel, Umfragen erstellen und auswerten, Besuch einer technischen Einrichtung, Besuch einer JVA, Experteninterview, Podiumsdiskussion, Analysieren und Erstellen von Erklärvideos
Die Themenauswahl des Projektunterrichts hat aus den nachfolgenden Bildungsplaneinheiten unter Beachtung Fächer verbindender Aspekte zu erfolgen.

BPE 1

Philosophische Denk- und Schreibformen, Propädeutik

20

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit unterschiedlichen philosophischen Arbeitsweisen auseinander, um spezifisch philosophische Denk‑, Gesprächs- und Schreibformen kennenzulernen. Dieses propädeutische Repertoire stellt das eigenständige Philosophieren in den Vordergrund. Im Verlauf eines Schuljahres sollten daher einzelne Fragestellungen der ausgewählten Unterrichtseinheiten immer wieder mithilfe einer der genannten Methoden vorentlastet, erarbeitet oder vertieft werden. Diesem Gedanken folgend kann darüber hinaus die Auseinandersetzung mit einer philosophischen Ganzschrift im Zusammenhang mit einer thematischen BPE als weitere Erarbeitungsform gewählt werden.

BPE 1.1

Die Schülerinnen und Schüler analysieren einen sokratischen Dialog und beschreiben dessen Grundprinzipien und Methodik. Sie erschließen die Vorzüge und Grenzen der Methode und entwerfen eigene Dialoge zu geeigneten Fragestellungen.
Darüber hinaus setzen sie sich mit dem neosokratischen Gespräch auseinander und vergleichen die Gesprächsform anschließend mit dem klassischen Sokratischen Dialog.

Sokratischer Dialog
z. B. Platon: Theaitetos, Menon, Laches, Phaidon, Kriton
  • Sokratische Methode
  • Sokratische Prinzipien
  • Vorzüge und Grenzen
z. B. „Was ist das?“-Frage; Hebammenkunst/Maieutik: Widerlegung, Verlegenheit, Hinwendung, konstruktive Ausweglosigkeit
z. B. Marktplatzgedanke, Vorläufigkeit von Erkenntnis, wissendes Nichtwissen, Aporie, Verstellung/Ironie, Anschaulichkeit und Weltbezug
z. B. Bescheidenheit und Zweifel; Asymmetrie im Gespräch, Paradox des sokratischen Nichtwissens
Neosokratisches Gespräch
z. B. Gustav Heckmann („Das Sokratische Gespräch“), Gisela Raupach-Strey („Sokratische Didaktik“)
  • Durchführung und Methodik
  • Prinzipien des Neosokratischen Gesprächs
z. B. „Fuß fassen im Konkreten“ (Prüfung eines konkreten Beispiels), Metagespräch
z. B. Denkgemeinschaft, Konsensgedanke, Non-Dogmatismus/Antiautoritarismus, Zurückhaltung der Lehrkraft, Vorläufigkeit von Erkenntnis
vgl. auch Diskursethik (Jürgen Habermas)

BPE 1.2

Die Schülerinnen und Schüler erschließen Form und Inhalt des philosophischen Essays in Abgrenzung zu anderen Textsorten und gestalten eigene Essays zu philosophischen Fragestellungen.

Philosophischer Essay
z. B. in Abgrenzung zu anderen Schreibformen, subjektive Perspektive, Abbildung eines Reflexionsweges; Essaytypen (urteilender oder problemlösender Essay), Schreibanlässe (Zitate, Bildimpulse, Kunstwerke, Problemstellung, Dossier), kreativer Umgang mit der Darstellungs‑, Appell- und Ausdrucksfunktion von Sprache
z. B. Montaigne, Francis Bacon, Hans Magnus Enzensberger
vgl. internationale Philosophie-Olympiade / philosophische Wettbewerbe

BPE 1.3

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit einer philosophischen Ganzschrift auseinander.

Philosophische Ganzschrift (in Verbindung mit einer anderen BPE)
z. B. ein philosophischer Essay: David Humes „Vom Wunderglauben“, Jean-Paul Sartres „Der Existenzialismus ist ein Humanismus“, Albert Camus’ „Der Mythos des Sisyphos“, Essays von Hannah Arendt oder Richard Rorty,
z. B. ein kürzerer philosophischer Text: Jean-Jacques Rousseaus „Abhandlung über die Ungleichheit“, Friedrich Schillers „Über die ästhetische Erziehung des Menschen", Immanuel Kants „Zum ewigen Frieden“, „Das Kommunistisches Manifest“ von Karl Marx/Friedrich Engels, Walter Benjamins „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“
z. B. ein literarischer Text: Voltaires „Candide“, Jean-Paul Sartres „Geschlossene Gesellschaft“, Stanislaw Lems „Solaris“, Jonas Lüschers „Kraft“

BPE 2*

Was ist der Mensch?

15

Die Schülerinnen und Schüler beschreiben und erläutern aktuelle und historische Sichtweisen auf den Menschen aus persönlicher, gesellschaftlicher und theoretischer Sicht und ordnen sie in den jeweiligen wissenschaftlichen und historischen Kontext ein. Sie erschließen mögliche Topologien des Menschseins und setzen sich mit ihren Auswirkungen auseinander.

BPE 2.1

Die Schülerinnen und Schüler beschreiben und vergleichen gegenwärtige Vorstellungen vom Menschen. Sie erläutern die Menschenbilder verschiedener Wissenschaften und setzen sich kritisch mit ihnen auseinander.

Welche Vorstellungen vom Menschen haben wir heute?
z. B. bildliche Darstellungen von Menschen, Liedtexte, Zitate, Aphorismen, Werbeslogans
Welche Erkenntnisse über den Menschen gewinnen die Humanwissenschaften?

  • (Neuro)biologie
  • Psychologie
  • Soziologie
z. B. Fragen der Willensfreiheit und der Selbststeuerung (Gerhard Roth, Wolf Singer, Michael Pauen, Daniel C. Dennett, Antonio Damasio, Thomas Metzinger, David Eagleman)
z. B. Überlegungen zur Wirksamkeit des Unbewussten und von Emotionen und Erfahrungen (Sigmund Freud, Erik H. Erikson, Peter A. Levine, Irvin D. Yalom, Joachim Bauer)
z. B. Arnold Gehlen, Talcot Parsons, Erving Goffman, Michel Foucault, Hartmut Rosa, Sarah Blaffer-Hrdy

BPE 2.2

Die Schülerinnen und Schüler erläutern anthropologische Sichtweisen der Vergangenheit und setzen sich mit dem historischen Kontext auseinander. Sie vergleichen Menschenbilder des Abendlandes mit denen anderer Kulturkreise und setzen sie zueinander in Beziehung.

Welche Menschenbilder hatten Menschen früher?
z. B. in der Antike: Mythen, Sokrates, Aristoteles
z. B. in der Renaissance: Kunst, Medizin; Humanismus (Erasmus von Rotterdam, Petrarca, Pico della Mirandola)
z. B. in der Aufklärung: David Hume, Thomas Hobbes, Jaques Rousseau, Johann Gottfried Herder, Immanuel Kant
z. B. im 19. und 20. Jahrhundert: Arthur Schopenhauer, Ludwig Feuerbach, Karl Marx, Friedrich Nietzsche, Helmuth Plessner, Jean-Paul Sartre, Ernst Bloch
Welche Vorstellungen vom Menschen gibt es in anderen Kulturkreisen?
z. B. Bedeutung von Individualität und Gemeinschaft, Aktivität und Passivität, Umgang mit dem Tod und Jenseitsvorstellungen, Weltverhältnis, Lebenskunst
z. B. fernöstliche Philosophie (Konfuzius, Laotse, Zhuangzi/Dschuang Dsi), afrikanische Philosophie (Henry Odera Oruka)

BPE 2.3

Die Schülerinnen und Schüler erörtern mögliche Grundbestimmungen des Menschen, analysieren ihre Ausprägung an Beispielen und beurteilen ihre Gültigkeit.

Welche Grundbestimmungen des Menschen gibt es?

  • als Begrenzte und Scheiternde
  • als Erschaffende und Verändernde
  • als Beziehungswesen
z. B. Sisyphos-Mythos, „Drei Kränkungen“ der Menschheit (kopernikanische Wende, Evolutionstheorie, Entdeckung des Unbewussten), Ratgeberliteratur, Lebenskrisen und Sinnfragen
z. B. Prometheus-Mythos, homo faber, Menschen als Kultur- und Technikschaffende (Günter Anders), Frankenstein, Cyborgs, Mensch der Zukunft
z. B. „Kugelwesen“-Mythos (Platon), Erich Fromm, Martin Buber, Emmanuel Lévinas, Richard Sennett, Joachim Bauer
vgl. BPE 4, BPE 5, BPE 8
vgl. Ethik, BPE 10.3 Technikethik

BPE 3*

Was kann ich wissen?

15

Die Schülerinnen und Schüler hinterfragen die ihnen durch Alltag und Wissenschaft vermittelte Wirklichkeit und setzen sich mit den Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Erkenntnis sowie dem Begriff der Wahrheit auseinander. Sie diskutieren, inwieweit die Frage nach der Erkennbarkeit der Welt mit dem jeweiligen Selbst- und Weltbild in Wechselwirkung steht. Dabei beurteilen sie den Wert systematischen Denkens und problematisieren die Grenzen von geschlossenen Systemen und Weltanschauungen.

BPE 3.1

Die Schülerinnen und Schüler analysieren, vergleichen und beurteilen Vorstellungen von der Beschaffenheit der Welt. In diesem Zusammenhang setzen sie sich mit unterschiedlichen erkenntnistheoretischen Ansätzen und dem Stellenwert des Wissens auseinander.

Was ist Wissen und welche Rolle spielt Wissen in unserem Leben?
z. B. Erscheinungsformen und erste Definition von Wissen; „Fake News“ und Verschwörungstheorien, Allgegenwärtigkeit von Information (Internet), Rolle der Bildung (Wissen – Verstehen – Können)
Was wissen wir wirklich über unsere Welt?

  • Wie gelangen wir zu Wissen über die Welt?
  • Was ist Wahrheit?
  • Woran kann man zweifeln?
z. B. Funktion von Wahrnehmung, Rolle der Sinne, Verhältnis von Vernunft- und Sinnenwelt, Sinnestäuschungen, phänomenologischer Zugang zur Welt, Wahrheitstheorien (Korrespondenz‑, Kohärenz‑, Konsenstheorie etc.)
z. B. historischer Zugang: Wiedererinnerungslehre und Neuplatonismus (Platon, Thomas von Aquin, Meister Eckart), Rationalismus (René Descartes, Gottfried Wilhelm Leibniz), Empirismus und Sensualismus (David Hume), Kritizismus (Immanuel Kant), psychologische Erkenntnis (Leonard Nelson), Phänomenologie (Edmund Husserl, Ute Guzzoni), Konstruktivismus (Ernst von Glasersfeld, Humberto Maturana, Paul Watzlawick), Neuer Realismus,
Sinnfeldontologie (Maurizio Ferraris, Jocelyn Benoist, Susan Haack), Epistemischer Realismus (Julian Nida-Rümelin), Skeptizismus und moderne Skepsis (Sextus Empiricus, Markus Gabriel, Thomas Nagel)
Welche Grundmerkmale des Seienden lassen sich systematisch aufweisen?
z. B. Wann ist etwas dasselbe? Was ist Existenz? Was ist Zeit?

BPE 3.2

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit dem Verhältnis von Körper und Geist auseinander und vergleichen historische Erklärungsmodelle mit neueren und interdisziplinären Ansätzen.

Sind Körper und Geist eines?
z. B. monistische und dualistische Konzepte
Welche Antworten geben historische und gegenwärtige Theorieansätze?
z. B. Leib-Seele-Problematik, Gehirn-Geist-Verhältnis, Gehirn und Bewusstsein, Ich als Illusion?
z. B. Erkenntnisoptimismus und Gottähnlichkeit der menschlichen Seele (Meister Eckart, Nikolaus von Kues), Mechanistisches Welt- und Menschenbild (Thomas Hobbes, René Descartes, Julien Offray de La Mettrie); Bewusstsein als Indikator für die Unzulänglichkeit des materialistisch-neodarwinistischen Weltbilds (Thomas Nagel, Markus Gabriel); Zombies als Beweis des Epiphänomenalismus, die Macht des Unbewussten (Sigmund Freud), Bewusstseinsstufen und Forschungen zur Künstlichen Intelligenz (Philipp Hübl, Klaus Mainzer, Thomas Metzinger)
Welche Folgen ergeben sich aus aktuellen Forschungsergebnissen?
z. B. kritische Prüfung der Argumente und Verfahren moderner Hirnforschung (Alva Noë, Felix Hasler), Konsequenzen für das Selbst‑, Welt- und Menschenbild, Freiheit und Bedingtheit, Freiheit und Verantwortung
z. B. John D. Haynes, John R. Searle, Daniel C. Dennett

BPE 4*

Wie beeinflusst Technik den Menschen?

15

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit der historischen und zeitgenössischen Entwicklung von Technik und den damit verbundenen Fragestellungen auseinander. Dabei problematisieren sie Auswirkungen und Folgen der Technik auf unser heutiges und zukünftiges Leben und schlussfolgern, welche Herausforderungen sich im Zusammenspiel von Mensch und Technik für Individuum und Gesellschaft ergeben.

BPE 4.1

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit dem Begriff der Technik sowie seiner Abgrenzung von dem Begriff der Natur auseinander.

Was ist Technik?

  • Begriffsdefinition
  • Unterscheidung zwischen Natürlichem und Künstlichem
z. B. materialer und formaler Technikbegriff, Abgrenzung zum Begriff Technologie (Problem der Vieldeutigkeit), Biotop vs. Technotop
vgl. Aristoteles (téchne), Martin Heidegger, Ernst Kapps „Grundlinien einer Philosophie der Technik“

BPE 4.2

Die Schülerinnen und Schüler beschreiben technische Veränderungen und deren Auswirkungen auf menschliches Zusammenleben. Sie analysieren deren Vorzüge und Nachteile und beurteilen dabei besonders die Entwicklungen unserer Zeit. Sie setzen sich mit Ansätzen zur Deutung und Bewertung von Technik auseinander.

Was verändert Technik?
z. B. Weiterentwicklungen innerhalb der Technik und Veränderung der Kultur durch Technik
z. B. Technik als Kulturleistung (Ernst Cassirer, Sigmund Freud)
z. B. Tendenz zur Universalisierung (Smartphone als Universalgerät)
z. B. Frage nach Globalisierung und einer Weltkultur
Fortschritt durch Technik?
z. B. technische Entwicklungsschritte der Menschheitsgeschichte (neolithische, industrielle, digitale Revolution; Automatisierung und Robotisierung)
z. B. Wolfgang Königs „Technikgeschichte“
vgl. BPE 2
Technik als Risiko und/oder Chance?

  • Einschnitte durch technischen Fortschritt
  • neuzeitliche Auseinandersetzung
  • gegenwärtige Auseinandersetzung
z. B. Atombombe und Kernkraft, Digitalisierung, Bionik, Künstliche Intelligenz, Transhumanismus, Virtual Reality, Body Enhancement
vgl. Francis Bacon, Rene Descartes, Immanuel Kant, Johann G. Fichte, Friedrich W. Schelling
vgl. Hans Jonas, Hannah Arendt, Günther Anders, Thomas Assheur, Jürgen Habermas, K. M. Meyer-Abich, Robert Spaemann, Gernot Böhme, VDI (Werteoktogon), Christoph Hubig, Bernward Gesang

BPE 4.3

Die Schülerinnen und Schüler philosophieren exemplarisch mit Science-Fiction. Sie beschreiben und entwerfen mögliche, zukünftige Entwicklungen der Technik unter Zuhilfenahme von Film und Literatur.

Technik und Futurismus?
z. B. Utopien oder Endzeitphantasien (Thomas Morus, Francis Bacon), Künstliche Intelligenz (Frank Kirchner, Damian Borth, Stephan Hawking) Filmische Auseinandersetzung: „Terminator“-Reihe, „1984“, „Blade Runner“, „Moon“, „Ex Machina“, „Star-Trek“-Reihe, „Black Mirror“-Reihe
Literarische Auseinandersetzung: Stanisław Lems „Solaris“, Aldous Huxleys „Brave New World“, George Orwells „1984“, Jonas Lüschers „Kraft“

BPE 5*

Was ist und soll Kunst?

15

Die Schülerinnen und Schüler beschreiben eigene Erfahrungen mit „Schönheit. Sie lernen verschiedene Sichtweisen zum Verhältnis zwischen Kunst und Wirklichkeit kennen und setzen diese mit sich daraus ergebenen „Aufgaben“ von Kunst und ästhetischer Erfahrung in Beziehung. Sie erörtern mögliche Relationen zwischen Kunstwerk und Rezipient und setzen sich mit Möglichkeiten und Auswirkungen, aber auch Grenzen ästhetischer Erfahrungen auseinander.

BPE 5.1

Die Schülerinnen und Schüler beschreiben und vergleichen gegenwärtige und historische Vorstellungen von Schönheit und erschließen die sich daraus ergebenden philosophischen Fragestellungen.

Welche Vorstellungen von Schönheit gab es früher und gibt es heute?
z. B. in Bezug auf den menschlichen Körper, Design, Musik, Architektur, bildende Kunst
Liegt Schönheit ausschließlich „im Auge des Betrachters“?
z. B. der goldene Schnitt als objektives Schönheitsideal, biologische Ursachen für Attraktivität, Beispiele für „zeitlos“ als schön Empfundenes
z. B. Urbild des Schönen (Sokrates/Platon), Regeln des ästhetischen Empfindens (David Hume, Edmund Burke, Immanuel Kant)
Besteht ein Zusammenhang zwischen Schönheit und Kunst?
z. B. passives Konsumieren vs. aktives Erfahren; Kunst als Genuss, Kunst als Ideal (Goethe, Schiller, Hegel); Kunst als Irritation bzw. Negation (Dadaismus, Expressionismus, Pop-Art), Ästhetik des „Hässlichen“ (Friedrich Schlegel, Joseph Beuys)

BPE 5.2

Die Schülerinnen und Schüler erläutern philosophische Positionen zum Verhältnis von Kunst und Wirklichkeit und dem sich jeweils ergebenden „Zweck“ von Kunst und Kunstgenuss. Sie beurteilen vor diesem Hintergrund die (gewünschten) Auswirkungen von Kunst auf den Menschen.

Was ist Kunst?
z. B. Kunst als Nachahmung der Realität (Platon, Aristoteles), als Neutralisierung der Realität (Edmund Husserl), als Erfindung (Mimesis) der Realität (Leonardo da Vinci, Immanuel Kant, Konrad Fiedler); Zweckimmanenz der Kunst (Charles Baudelaire, Friedrich Schiller)
… und wozu überhaupt Kunst?
z. B. Kunst als vermittelndes Element zwischen Vernunft und Gefühl (Friedrich Schiller), als Negation (Theodor W. Adorno), als Utopie (Jean-Paul Sartre, Ernst Bloch), als identitätsstiftendes Element (Ikonographie, Idole, Symbole), als kulturerschaffendes, ‑bewahrendes und daher staatlich zu förderndes Gut, als Ausdruck des Lebens (Friedrich Nietzsche), als Möglichkeit der Einflussnahme (politische Kunst und Propaganda) und des Ausdrucks (Kunst als Universalsprache, Chiffrierung, Street-Art, Satire)

BPE 5.3

Die Schülerinnen und Schüler philosophieren über den Begriff des Kunstwerks und setzen sich vor diesem Hintergrund mit der Frage nach einer Verantwortung von Kunstschaffenden auseinander. Sie erörtern in diesem Zusammenhang die ethische Problematik von künstlerischer Freiheit.

Was macht ein Kunstwerk zum Kunstwerk?
z. B. das Kunstwerk als Repräsentant des künstlerischen Geistes (Clive Bell); das Kunstwerk als erst durch die Rezipientin/den Rezipienten entstehendes Werk (Zusammenhang mit der zentralperspektivischen Darstellung, Trialog zwischen Künstlerin/Künstler – Werk – Rezipientin/Repizienten, Ende der Idee der „einen Aussage“ in der Moderne)
z. B. Aktionskunst, Kunst als Lebenskunst (Friedrich Nietzsche)
Gibt es eine Verantwortung für die Wirkung eines Kunstwerkes?
z. B. Satire und Rap als Kunstform, Kunstfiguren und Alter Egos als Möglichkeiten zur (scheinbaren) Distanzierung, Kunst als „Freiheit in der Erscheinung“ (Friedrich Schiller)

BPE 6*

Was ist ein geglücktes Leben?

15

Die Schülerinnen und Schüler beschreiben Erleben und Ausprägungen von Glück und erschließen mögliche Bedingungen für ein geglücktes Leben. Sie erläutern theoretische Positionen der Glücksforschung sowie philosophische Standpunkte zum Lebensglück und erörtern auch kritisch deren Reichweite.

BPE 6.1

Die Schülerinnen und Schüler beschreiben eigene und fremde Glückserfahrungen und erschließen deren Umstände. Sie setzen diese in Beziehung zu den Forschungsergebnissen der Wissenschaft.

Wann und wie erleben wir Glück?
z. B. eigene Glückserlebnisse, Situationen, Bedingungen, Abgrenzung zum Unglücklichsein, emotionaler Ein- und Ausdruck (Wie fühlt es sich an? Wie zeigt es sich?), Glücksbegriffe in verschiedenen Sprachen, Verhältnis „Glück haben“ – „glücklich sein“, Beispiele aus Literatur und Kunst, Glücksversprechen durch Medien und Werbung
Wie beschreiben und bestimmen die Humanwissenschaften das menschliche Glück?
z. B. Neurowissenschaften, Psychologie, Soziologie (Ed Diener, Martin Seligman, Ruut Veenhoven, Christof Kessler, Joachim Bauer, Mihály Csíkszentmihályi, Wilhelm Schmid)

BPE 6.2

Die Schülerinnen und Schüler stellen mögliche Bedingungen für ein geglücktes Leben dar und erörtern den Einfluss wesentlicher Faktoren dafür. Sie fassen Sichtweisen der philosophischen Tradition zusammen und beurteilen ihre Geltungskraft.

Was sind Voraussetzungen und Bedingungen für ein geglücktes Leben?

  • Welche Grundbedürfnisse und ‑fähigkeiten haben wir als Menschen?
  • Wie frei sind wir in unserer Lebensgestaltung?
  • Welche Rolle spielen andere Menschen dabei?
  • Wie wirken sich Lebenskrisen aus?
z. B. Martha Nussbaums Befähigungsansatz, Maslow’sche Bedürfnispyramide, Selbstbestimmungstheorie nach Richard M. Ryan und Edward L. Deci
z. B. Tagesabläufe, Schul‑, Ausbildungs‑, Berufsplanung, Freiheitsdiskussion in Philosophie, Psychologie und Neurowissenschaften (Paul-Henri Thiry d’Holbach, Sigmund Freud, Jean-Paul Sartre, Peter Bieri, Irvin Yalom, Joachim Bauer)
vgl. Ethik, Freiheit und Verantwortung
z. B. Identitätsfragen, Bedeutung von Zuwendung und Anerkennung (Axel Honneth)
z. B. Wortbedeutung „krisis“, Ratgeberliteratur, Bedeutung von Psychotherapie und persönlicher Entwicklung (Erik Erikson)
Welche Konzeptionen eines geglückten Lebens bietet die philosophische Tradition an?

  • Welche Bedeutung haben Tugenden und Pflichten für ein geglücktes Leben?
  • Wie stehen Lust und Mäßigung zueinander?
  • Wie ist das Verhältnis von persönlichem und gesellschaftlichem Glück?
z. B. kurz- und langfristiges Glück, Tugend und Klugheit (Sokrates/Platon, Aristoteles), moralische Pflichten (Immanuel Kant, Otfried Höffe)
z. B. Stellenwert und verschiedene Formen von Hedonismus, Verhältnis Glück und Moral, Verhältnis von Lustmaximierung, Bedürfnisregulierung und Mäßigung (Epikur, Stoa, Erich Fromm)
z. B. utilitaristische, kommunitaristische, sozialistische Ansätze

BPE 7*

Wie bildet sich personale Identität und wie funktioniert Kommunikation?

15

Die Schülerinnen und Schüler vergleichen interdisziplinäre Ansätze zur Identitätsbildung. Sie erkennen die Identitätskonstruktion als intersubjektiven und selbstreflexiven Prozess und erörtern sich daraus ergebende Chancen und Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund beschreiben und beurteilen sie die Funktion von Sprache und Kommunikation und erörtern aktuelle Herausforderungen der Identitätsbildung, insbesondere im Zeitalter digitaler Medien.

BPE 7.1

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit dem Begriff der personalen Identität und interdisziplinären Ansätzen zur Identitätsbildung auseinander. Sie setzen die Entwicklung des Ich in Beziehung zum Du bzw. Wir/Ihr und erschließen die sich daraus ergebende ethische Dimension.

Wie lässt sich personale Identität beschreiben?
z. B. Selbst- vs. Fremdbeschreibung durch identitätsstiftende Merkmale (Begabung, Schwächen, Interessen usw.), selbstreflexives Schreiben, Persönlichkeitstypologien (Big Five, DISG), die Frage nach Kontinuität (Schiff des Theseus; Bewusstseinsstrom), Erkundung von Biografien, Patchwork-Identität (Heiner Keupp), das Ich als Summe der Erfahrungen, Stufenaufbau des Selbst (Antonio Damasio), Fähigkeit der Identitätsdarstellung als notwendige Kompetenz zur Identitätsbildung, kein Ich ohne Biographie (Paul Ricœur)
  • Das Ich als Aufgabe?
  • Das Ich als Rolle?
  • (K)ein Ich ohne Du?
  • (K)ein Ich im Wir?
z. B. kognitive Entwicklung (Jean Piaget), soziale Entwicklung (Erik Erikson), Anlage vs. Umwelt, Lernprozess vs. angeborenes Verhalten, Existenz vor Essenz (Jean-Paul Sartre)
z. B. familiäre/berufliche Rollen, Geschlechterrollen (Simone de Beauvoir), Selbstwertgefühl vs. Selbstbeeinträchtigung
z. B. Ich und Du als konstituierende Wechselbeziehung (Martin Buber), Identität als Rollenübernahme und Rollendistanz (George H. Mead), Bedeutung von Gruppenbindung für die eigene Identität, Identität als Verknüpfungsarbeit (Heiner Keupp), Gruppenidentität und ‑prozesse, individuelle vs. kollektive Identität, individualistische vs. kollektivistische Kultur
Welche Bedeutung hat die Entwicklung der Identität für das Verhältnis des Menschen zu sich und anderen?
z. B. soziale Anerkennungsverhältnisse und sich daraus ergebende Rechte und Pflichten (Axel Honneth), die Entwicklung des Gewissens/Stufen der Moral (Antonio Damasio, Frans de Waal), Entwicklung der Identität als Voraussetzung zur Infragestellung und Weiterentwicklung der Normen (Seyla Benhabib)

BPE 7.2

Die Schülerinnen und Schüler analysieren Kommunikation und Sprache im Hinblick auf Merkmale und Funktion. Sie setzen sich mit der Wechselwirkung zwischen Sprache und Wahrnehmung auseinander und erschließen sich daraus ergebende Möglichkeiten und Probleme, auch aus ethischer Sicht.

Was ist Kommunikation? Was ist Sprache?
… und wozu wird kommuniziert?
z. B. Mimik, Körpersprache, Sprache; Sender-Empfänger-Modell (Claude E. Shannon und Warren Weaver), Vier-Seiten Modell (Friedemann Schulz von Thun), anthropologisches Wesensmerkmal (Aristoteles, Johann G. Herder, Karl-Otto Apel), Dialog als Basis menschlicher Kommunikation (Aristoteles), Grundwortpaare „Ich–Du–Es“ (Martin Buber), Konstitutionstheorien (Ernst Cassirer, Benjamin L. Whorf), Sprache als Ausdrucksmöglichkeit, Sprache als beziehungsgestaltendes und ‑ermöglichendes Element
Welchen Einfluss kann Sprache haben?
z. B. Sprache als identitätsstiftendes und abgrenzendes Element (Slang, Dialekt, Jugendsprache), Einfluss der Sprache auf die Wahrnehmung (Saphir-Whorf-Hypothese, Berlin-Kay-Farbuntersuchungen), Interpretation als Ursache von Kommunikationsstörungen (Paul Watzlawick); Manipulation, Populismus, Verrohung der Sprache, Hate-Speech
vgl. Deutsch, BPE 5 Sprachgebrauch und Sprechreflexion

BPE 7.3

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit gegenwärtigen Identitätskonstruktionen auseinander und erschließen die sich daraus ergebenden Herausforderungen und Chancen. Dabei beurteilen sie die Rolle der Medien und unseren Umgang damit.

Gibt es (heute noch) eine kollektive Identität?
z. B. kollektives Gedächtnis (Avishai Margalit), Bedeutung von Herkunft für die eigene Identität (Stephan Grünewald), Nationalität vs. Kosmopolitismus
Ist Identitätsbildung heute schwieriger als früher?
z. B. Entwicklung der Identität als Voraussetzung zur Infragestellung und Weiterentwicklung der Normen (Seyla Benhabib, Axel Honneth), Ich als Unternehmer meiner selbst (Byung-Chul Han)
z. B. Vielfalt, Enttraditionalisierung; Forderung nach Flexibilität, Lebensradius (Charles Taylor) und mögliche Abwehrreaktionen wie Nationalismus oder Fundamentalismus (Julia Ebner, Arno Gruen)
Wie beeinflusst die Medienwelt die Identitätsbildung?
z. B. Selbstdarstellung in den sozialen Medien, identitätstheoretischer Diskurs, Ich und ICH (George H. Mead), Medien als Ausweitung des Körpers (Marshall McLuhan), Selbstentblößung im Netz (Günter Burkart), Mediensozialisation (Ralf Vollbrecht), Identitätsbildung und Medien (Bernd Schorb, Sabina Misoch), Seelische Verkümmerung durch digitale Medien (Sherry Turkle), Kommunikationsmacht (Jo Reichertz), digitale Filterblase

BPE 8*

Was ist ein guter Staat?

15

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit grundlegenden Fragestellungen und Problemen der Staatsphilosophie auseinander. Dabei beschäftigen sie sich mit der Vorstellung eines idealtypischen Staates und erweitern ihren Wissenshorizont in Bezug auf staatliche Legitimation über Epochen hinweg. Sie erwerben die Fähigkeit, die Grenzen staatlicher Gewalt gegenüber dem Individuum zu erläutern, und beschäftigen sich mit Fragen der Gerechtigkeit. Die tiefere Auseinandersetzung versetzt die Schülerinnen und Schüler in die Lage, sich einen differenzierten und problemorientierten Überblick über die verschiedenen Staatstheorien zu verschaffen. Sie erlangen ein tieferes Verständnis für politische Auseinandersetzungen und erwerben zudem ein freiheitliches, pluralistisches Demokratieverständnis.

BPE 8.1

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich zunächst selbstständig mit der Idee des idealen Staates auseinander. Sie analysieren unterschiedliche Theorien der Staatsphilosophie und setzen diese in Beziehung zueinander. Auf dieser Grundlage entwerfen sie eigene Kriterien, die zur Gründung eines Staates erforderlich sind.

Was ist ein idealer Staat?
z. B. Planspiel (Insel-Szenario)
Wie lässt sich ein Staat legitimieren?

  • antike und mittelalterliche Staatsphilosophie
  • neuzeitliche Staatsphilosophie
  • moderne Staatsphilosophie
z. B. Konfuzius, Platon (Philosophenstaat), Aristoteles, Cicero, Marc Aurel, Augustinus („Gottesstaat“), Thomas v. Aquin
z. B. Niccolò Machiavelli, Hugo Grotius, Thomas Morus („Utopia“), Baruch de Spinoza, Thomas Hobbes („Leviathan), Tommaso Campanella („Sonnenstaat“), John Locke, Charles de Montesquieu, Jean-Jacques Rousseau, Immanuel Kant, Karl Marx, Michail Bakunin und Piotr Kropotkin (Gesellschaft ohne Staat), Max Weber
z. B. Hannah Arendt, Karl Popper, Niklas Luhmann, John Rawls, Ágnes Heller
Was ist MEIN idealer Staat?
z. B. Zukunftsszenarien, philosophischer Essay

BPE 8.2

Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit Grundpositionen des Gerechtigkeitsdiskurses auseinander. Sie analysieren grundlegende Thesen der Debatte, erläutern deren Relevanz und nehmen begründet dazu Stellung. Darüber hinaus beurteilen sie die Grenzen staatlichen Handelns.

Was ist ein gerechter Staat?
z. B. Gerechtigkeitsdebatte (Platon, Thomas Hobbes, Jean-Jacques Rousseau, Immanuel Kant, Karl Marx, Friedrich A. von Hayek, John Rawls, Robert Nozick, Jürgen Habermas, Wolfgang Kersting, Amartya Sen, Bruce Ackerman, Otfried Höffe, Martha Nussbaum, Thomas Pogge)
Wo liegen die Grenzen staatlicher Gewalt?
z. B. Widerstandsrecht (Johannes Althusius, John Locke), ziviler Ungehorsam (Henry Thoreau, Ghandi, Rosa Parks), Naturrecht und positives Recht
z. B. Frage des gerechten Krieges, Recht auf humanitäre Intervention, Pazifismus

Zeit für Leistungsfeststellung

10

70

80

Operatorenliste

In den Zielformulierungen der Bildungsplaneinheiten werden Operatoren (= handlungsleitende Verben) verwendet. Diese Zielformulierungen (Standards) legen fest, welche Anforderungen die Schülerinnen und Schüler in der Regel erfüllen. Zusammen mit der Zuordnung zu einem der drei Anforderungsbereiche (AFB) dienen Operatoren einer Präzisierung. Dies sichert das Erreichen des vorgesehenen Niveaus und die angemessene Interpretation der Standards.

Anforderungsbereiche


Anforderungsbereiche
Anforderungsbereich I umfasst die Reproduktion von Material, bei der auf Gedankengänge und/oder Methoden des Unterrichts zurückgegriffen und die für die Problemreflexion genutzt wird.
Anforderungsbereich II erweitert die Auseinandersetzung auf aus dem Unterricht nicht bekanntes Material oder nicht behandelte Fragestellungen und nutzt diese für eine Problemreflexion.
Anforderungsbereich III umfasst eine inhaltlich und methodisch selbstständige Reflexion eines philosophischen Problems.
Operator Erläuterung Zuordnung
AFB
analysieren
die sprachliche Gestaltung und die Argumentationsstruktur eines Textes bzw. die Gestaltungsmittel und deren Komposition in einem Material untersuchen und interpretierend darstellen. Die expliziten und impliziten Prämissen, Denkvoraussetzungen und Thesen erfassen und formulieren, Begründungszusammenhänge und intendierte Folgerungen klären
II
auseinandersetzen mit
eine explizit kritische Stellungnahme entwickeln, auf der Grundlage ausgewiesener Kriterien
III
begründen
hinsichtlich der Ursachen und Folgerungen schlüssige Zusammenhänge ausführlich und differenziert darlegen
III
beschreiben
Sachverhalte in eigenen Worten in ihrem Zusammenhang darlegen (in der Regel mit Bezug zu Materialien)
I
beurteilen
ein selbstständiges Urteil unter Verwendung von Fachwissen und Fachmethoden auf der Basis ausgewiesener Kriterien formulieren
III
darstellen
einen Zusammenhang strukturiert und sachlich formulieren
I, II
eine philosophische Problemreflexion durchführen
eine umfassende und differenzierte Erörterung eines philosophischen Problems eigenständig konzipieren und darlegen, d.h.: Philosophische Implikationen des vorgelegten Materials bestimmen, das Problem formulieren und dessen Relevanz erläutern, in einen philosophischen Zusammenhang einordnen, eine argumentative bzw. gestalterische Auseinandersetzung entwickeln mit einer begründeten eigenen Stellungnahme
I, II, III
einordnen
mit eigenständigen Erläuterungen in einen bekannten Kontext einfügen
II
entwerfen
ein Konzept in seinen wesentlichen Grundzügen erarbeiten und darstellen
III
erläutern
nachvollziehbar und verständlich erklären
II
erörtern
ein Beurteilungsproblem erkennen und darstellen, unterschiedliche Positionen sowie Pro- und Kontra-Argumente abwägen und eine Schlussfolgerung erarbeiten
II
erschließen
etwas Neues oder nicht explizit Formuliertes durch Schlussfolgerungen aus etwas Bekanntem herleiten
II
gestalten
einen konzeptionellen Beitrag nach ausgewiesenen Kriterien ausführlich und differenziert erarbeiten
II, III
in Beziehung setzen
Zusammenhänge unter vorgegebenen oder selbst gewählten Gesichtspunkten begründet herstellen
II
Stellung nehmen
eine explizit persönliche Einschätzung eines Problems oder einer gegebenen Problemstellung differenziert erarbeiten
III
vergleichen
nach vorgegebenen oder selbst gewählten philosophischen Aspekten Unterschiede, Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten ermitteln und darstellen
II
wiedergeben
einen (gedanklichen) Zusammenhang in eigenen Worten nachvollziehen
I
zusammenfassen
wesentliche Aspekte (des Materials) in eigenen Worten strukturiert und komprimiert wiedergeben
I
vgl. Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Philosophie der KMK i. d. F. vom 16.11.2006

Amtsblatt des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg

Stuttgart, 23. Juli 2020
Lehrplanheft 1/2020
Bildungsplan für das berufliche Gymnasium;
hier:
Berufliches Gymnasium der sechs- u. dreij. Aufbauform
Vom 23. Juli 2020
44 – 6512.- 240/211

I.

II.

Für das berufliche Gymnasium gilt der als Anlage beigefügte Bildungsplan.
Der Bildungsplan tritt
für die Jahrgangsstufe 1 am 1. August 2022
für die Jahrgangsstufe 2 am 1. August 2023
in Kraft.

Im Zeitpunkt des jeweiligen Inkrafttretens tritt der im Lehrplanheft 5/2004 veröffentlichte Lehrplan in diesem Fach vom 25. November 2004 (Az. 45-6512-240/92) außer Kraft.
Philosophie
Berufliches Gymnasium der sechs- u. dreij. Aufbauform
K.u.U., LPH Nr. 1/2020 Reihe I Nr. 39
Band 1 vom 23.7.2020

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