Fachliche Vorbemerkungen
1. Fachspezifischer Bildungsauftrag
Die interdisziplinären Biowissenschaften Biotechnologie, Biologie und Mikrobiologie haben große ökonomische, ökologische und gesellschaftspolitische Bedeutung mit vielfältigen industriellen Anwendungsgebieten im Bereich Life Science.
Anwendungsgebiete der Biotechnologie sind z. B. die industrielle Herstellung verschiedenster organischer Substanzen unter Verwendung von Biokatalysatoren, umwelttechnische Verfahren zur Abwasseraufbereitung und Energieproduktion sowie in der Medizin die Bereitstellung von Verfahren zur Therapie und Diagnose von Erkrankungen. In der molekularbiologischen Grundlagenforschung werden biotechnologische Verfahren zur Gewinnung neuer Erkenntnisse herangezogen.
Der Bereich Mikrobiologie beinhaltet das Vorkommen, die Lebenswelt, Kommunikation und Umweltwechselwirkungen von Mikroorganismen sowie ihre Verwandtschaftsbeziehungen, ihren Aufbau, Stoffwechsel, die Struktur und Funktion ihrer Zellbestandteile. Dies sind die Grundlagen für molekularbiologische, biotechnologische und medizinische Anwendungen.
Der Bereich Biologie umfasst das Grundlagenwissen für viele andere Life Sciences wie die Bereiche Zytologie, Enzymatik, Immunologie, klassische Genetik, Physiologie und Ökologie, die es den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, sich mit den Zusammenhängen und Wechselwirkungen auf den unterschiedlichsten Niveaus mit Bezug auf Zellen, Organismen und Ökosystemen auseinanderzusetzen. Durch die Einbettung von ökologischen Grundlagen sollen die Schülerinnen und Schüler befähigt werden, Einflüsse ihres Handelns zu bewerten.
Der in diesem Bildungsplan verfolgte Bildungsansatz ist durch ein breites Themenspektrum gekennzeichnet, das die vielfältigen Möglichkeiten, Chancen aber auch Risiken der Biowissenschaften repräsentiert. Schwerpunkt ist in allen Bildungsplaneinheiten die Verknüpfung zwischen fachtheoretischem und fachpraktischem Wissen und damit die Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf eine moderne und digitale Berufstätigkeit, die von neuen technisch-wirtschaftlichen Entwicklungen besonders betroffen ist.
Alle biowissenschaftlichen Fragestellungen des Bildungsplanes ermöglichen einen zielgerichteten Einsatz digitaler Medien und Lernwerkzeuge bei der Unterrichtsgestaltung. Die Arbeit mit berufsbezogenen Experimenten soll die Schülerinnen und Schüler dazu befähigen, Experimente zu planen, durchzuführen und deren Ergebnisse auszuwerten, zu dokumentieren, darzustellen und zu diskutieren. Digitale Medien können sowohl zur Erfassung von Daten, Aufbereitung und Darstellung von Versuchsergebnissen als auch zur Erstellung von z. B. Animationen und Lernvideos für die Visualisierung biowissenschaftlicher Abläufe genutzt werden. Die Auswahl der Themengebiete und die inhaltliche Gestaltung der Bildungsplaneinheiten berücksichtigt naturwissenschaftliche Vorkenntnisse der Schülerinnen und Schüler mit dem Ziel der beruflichen Qualifizierung.
2. Fachliche Aussagen zum Kompetenzerwerb, prozessbezogene Kompetenzen
Kompetenzorientierter Unterricht bietet die Möglichkeit, Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten selbstständig und nachhaltig aufzubauen, zu reflektieren und in verschiedenen Situationen verantwortungsvoll einzusetzen.
Die Schülerinnen und Schüler entwickeln im aktiven Umgang mit spezifischen Inhalten die Kompetenzen, die für die Biowissenschaften von zentraler Bedeutung sind. Erkenntnisse gewinnen, kommunizieren und bewerten sind hier charakteristische Fähigkeiten und Fertigkeiten. Naturwissenschaftlich fachkompetente Schülerinnen und Schüler verfügen über Sach‑, Erkenntnisgewinnungs‑, Kommunikations- und Bewertungskompetenz. Diese vier Kompetenzbereiche durchdringen einander und bilden gemeinsam die Fachkompetenz.
Die Sachkompetenz der Schülerinnen und Schüler zeigt sich in der Kenntnis naturwissenschaftlicher Konzepte, Theorien und Verfahren und der Fähigkeit, diese zu beschreiben und zu erklären sowie geeignete auszuwählen und zu nutzen, um Sachverhalte aus fach- und alltagsbezogenen Anwendungsbereichen zu verarbeiten.
Die Erkenntnisgewinnungskompetenz der Schülerinnen und Schüler zeigt sich in der Kenntnis von naturwissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen und in der Fähigkeit, diese Fachkompetenz zu beschreiben, zu erklären und zu verknüpfen, um Erkenntnisprozesse nachvollziehen oder gestalten zu können und deren Möglichkeiten und Grenzen zu reflektieren.
Die Kommunikationskompetenz der Schülerinnen und Schüler zeigt sich in der Kenntnis von Fachsprache, fachtypischen Darstellungen und Argumentationsstrukturen und in der Fähigkeit, diese Fachkompetenz zu nutzen, um fachbezogene Informationen zu erschließen, adressaten- und situationsgerecht darzustellen und auszutauschen.
Die Bewertungskompetenz der Schülerinnen und Schüler zeigt sich in der Kenntnis von fachlichen und überfachlichen Perspektiven und Bewertungsverfahren und in der Fähigkeit, diese Fachkompetenz zu nutzen, um Aussagen bzw. Daten anhand verschiedener Kriterien zu beurteilen, sich dazu Meinungen zu bilden, Entscheidungen zu treffen und Entscheidungsprozesse und deren Folgen zu reflektieren.
Für nachhaltig gewinnbringendes Lernen ist es von großer Bedeutung, dass alle Kompetenzbereiche im Unterricht bewusst und ausgewogen gefördert werden. Die Kompetenzen entwickeln sich bei den Schülerinnen und Schülern über die Ausbildungsjahre hinweg und werden im Bildungsplan vielfältig inhaltsbezogen konkretisiert.
Der Vielfalt naturwissenschaftlicher Phänomene liegen in den Fächern Biotechnologie, Mikrobiologie und Biologie gemeinsame Prinzipien zugrunde, die sich als Basiskonzepte beschreiben lassen. Die Basiskonzepte für diese Fächer im Bildungsgang Technische Assistenten und Assistentinnen der Biotechnologie – Struktur und Funktion, Kompartimentierung, Stoff- und Energieumwandlung, Information und Kommunikation, Steuerung und Regelung und Reproduktion – ermöglichen die Vernetzung von Inhalten und deren Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven. Damit erleichtern sie kumulatives Lernen, den Aufbau von strukturiertem Wissen und die Erschließung neuer Inhalte.
Da die Kompetenzen in allen sechs Bereichen nur an Fachinhalten erworben werden können, stellen die Basiskonzepte eine Grundlage für die Entwicklung der Fachkompetenz dar (vgl. Bildungsstandards im Fach Biologie für die Allgemeine Hochschulreife der KMK i. d. F. vom 18.06.2020).
3. Ergänzende fachliche Hinweise
Für den nachhaltigen Erwerb biowissenschaftlicher Fachkompetenzen werden die Sachinhalte mit lebensweltbezogenen Kontexten und aktuellen Methoden verknüpft. Bei der Behandlung verschiedener Inhalte sind die übergreifenden Basiskonzepte zu berücksichtigen. Hierdurch kann den Schülerinnen und Schülern die systematische Wissensaneignung erleichtert werden, die sich nicht vordergründig an den biowissenschaftlichen Inhalten, sondern an den wesentlichen Konzepten der Biowissenschaften und der späteren Herausforderungen des Berufsalltags orientiert. Des Weiteren erhalten die Schülerinnen und Schüler einen Überblick über die neuesten Erkenntnisse biologischer Zusammenhänge und deren biotechnischer Umsetzung. Die theoretischen Inhalte dieses Unterrichtsfaches wenden die Schülerinnen und Schüler in den fachpraktischen Fächern sowie dem praktischen Ausbildungsteil an. Durch die Verknüpfung von Theorie und praktischem Arbeiten wird die Fähigkeit zum eigenständigen Beurteilen technischer Laborprozesse und dem Erkennen von Fehlerquellen gefördert.
Im Fach „Biotechnologie“ erwerben die Schülerinnen und Schüler fachtheoretische Kenntnisse über Prozesse und Verfahren, die sie im fachpraktischen Bereich der Ausbildung anwenden. Die Vielfältigkeit der Ausbildungsinhalte orientiert sich an der gesamten Breite des Berufsbilds und fördert so die Fähigkeit der Schüler, sich in verschiedene Einsatzbereiche in Forschung und Produktion einzuarbeiten.
Die Schülerinnen und Schüler erlernen, molekularbiologische und gentechnische Grundlagen zu verstehen und experimentell anzuwenden. Ebenso werden ihnen die Grundlagen der Zellkultur- und Fermentiertechnik und deren Einsatz bei verschiedenen industriellen Produktionsverfahren vermittelt. Die Schülerinnen und Schüler erwerben erste Kompetenzen zur Bewertung der Eignung verschiedener Produktgewinnungsmethoden für biotechnologische Produkte. Ethische Fragestellungen werden in allen geeigneten Lehrplaneinheiten angesprochen.
Im „Biotechnologischen Praktikum“ werden die angehenden biotechnologischen Assistentinnen und Assistenten in die praktische Arbeit eingeführt. Durch Umgang mit modernsten Geräten und Mitarbeit an aktuellen Fragestellungen werden sie für ihre spätere berufliche Tätigkeit motiviert und qualifiziert. Das breite Methodenspektrum spiegelt die Anforderungen an die Schülerinnen und Schüler im späteren Berufsalltag wider. Das Praktikum setzt sich aus einem schulischen und einem mindestens sechswöchigem Industrie-/Institutspraktikum zusammen. Der außerschulische Teil kann in den beiden Schuljahren unter Einbeziehung von Ferien geleistet werden.
Die Verknüpfung von schulischer und betrieblicher Ausbildung sowie die persönliche Betreuung der Schülerinnen und Schüler erfordern regelmäßige Kontakte der jeweiligen Fachlehrer mit dem Praktikumsbetrieb.
Die Mikrobiologie ist für Biotechnologische Assistentinnen und Assistenten in der beruflichen Praxis Basis für gentechnische Experimente und für die biotechnologische Produktion entscheidend. In mikrobiologisch-analytischen Labors stellt sie ein eigenständiges Tätigkeitsfeld dar.
Bei der Kultivierung von Mikroorganismen unter sterilen Bedingungen werden Prozess- und Qualitätskontrollen durchgeführt. Aktuelle Verfahren und Produktionsprozesse werden unter Einhaltung von Sicherheitsstandards erprobt. Gemeinsam mit dem Mikrobiologischen Praktikum werden grundlegende Handlungskompetenzen für berufstypische Arbeits- und Gefährdungssituationen vermittelt.
Schwerpunkte der Ausbildung sind die Nutzung der Unterschiede der Mikroorganismen in Struktur und Physiologie für entsprechende Methoden zur Isolierung, Identifizierung, mikrobiellen Stoffproduktion und Wachstumskontrolle in der biotechnologischen Produktion und der Einsatz von Methoden der genetischen Modifizierung zur Optimierung von Organismen. Die Schülerinnen und Schüler werden für das Gefährdungspotenzial von Mikroorganismen für Personen und Produktionsprozesse sensibilisiert.
Im „Mikrobiologischen Praktikum“ erlernen die Schülerinnen und Schüler grundlegende mikrobiologische Arbeitstechniken, die heute in zahlreichen angewandten Bereichen der Biowissenschaften eingesetzt werden. Die Schülerinnen und Schüler werden zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Mikroorganismen erzogen. Anhand von Übungen mit nicht pathogenen Keimen erlernen sie die sachgerechte Durchführung mikrobiologischer Arbeitsmethoden. Die Arbeit an der Reinraumwerkbank vermittelt den Schülerinnen und Schülern ein vertieftes Verständnis für steriles Arbeiten und die Einhaltung von Sicherheitsstandards. In enger Verknüpfung mit dem biotechnologischen Praktikum erlernen sie auch den Umgang mit der bakteriellen Erbsubstanz, die Aufarbeitung sowie die Darstellung der DNA.
Im Fach „Biologie“ wird unter Nutzung dieser Basiskonzepte das Verständnis vom Aufbau der Zellen und ihren speziellen Leistungen in verschiedenen Organismen und Organsystemen, bis hin zur Anwendung molekularer Prozesse in aktuellen Forschungsbereichen und Techniken sowie der Wechselwirkungen zwischen belebter und unbelebter Natur vertieft.
Im Fach „Biologisches Praktikum“ werden die Schülerinnen und Schüler in die mikroskopische Technik eingeführt und dazu befähigt, tierische und pflanzliche Objekte zu präparieren, lichtmikroskopisch zu untersuchen und zeichnerisch sowie fotografisch festzuhalten. Weiterhin erwerben die Schüler Kenntnisse in Mikrobiologie, molekularer Genetik, Gentechnik und Zellkulturtechnik.
Das Fach „Biotechnologisches Praktikum“ baut auf die Inhalte des Fachs „Mathematik I“ auf und setzt diese anwendungsbezogen um.
Hinweise zum Umgang mit dem Bildungsplan
Der Bildungsplan zeichnet sich durch eine Inhalts- und eine Kompetenzorientierung aus. In jeder Bildungsplaneinheit (BPE) werden in kursiver Schrift die übergeordneten Ziele beschrieben, die durch Zielformulierungen sowie in jeweils einer Inhalts- und Hinweisspalte konkretisiert werden. In den Zielformulierungen werden die jeweiligen fachspezifischen Operatoren als Verben verwendet. Operatoren sind handlungsinitiierende Verben, die signalisieren, welche Tätigkeiten beim Bearbeiten von Aufgaben erwartet werden; eine Operatorenliste ist jedem Bildungsplan im Anhang beigefügt. Durch die kompetenzorientierte Zielformulierung mittels dieser Operatoren wird das Anforderungsniveau bezüglich der Inhalte und der zu erwerbenden Kompetenzen definiert. Die formulierten Ziele und Inhalte sind verbindlich und damit prüfungsrelevant. Sie stellen die Regelanforderungen im jeweiligen Fach dar. Die Inhalte der Hinweisspalte sind unverbindliche Ergänzungen zur Inhaltsspalte und umfassen Beispiele, didaktische Hinweise und Querverweise auf andere Fächer bzw. BPE.
Der VIP-Bereich des Bildungsplans umfasst die Vertiefung, individualisiertes Lernen sowie Projektunterricht. Im Rahmen der hier zur Verfügung stehenden Stunden sollen die Schülerinnen und Schüler bestmöglich unterstützt und bei der Weiterentwicklung ihrer personalen und fachlichen Kompetenzen gefördert werden. Die Fachlehrerinnen und Fachlehrer nutzen diese Unterrichtszeit nach eigenen Schwerpunktsetzungen auf Basis der fächer- und bildungsgangspezifischen Besonderheiten sowie nach den Lernvoraussetzungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler.
Der Teil „Zeit für Leistungsfeststellung“ des Bildungsplans berücksichtigt die Zeit, die zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Leistungsfeststellungen zur Verfügung steht. Dies kann auch die notwendige Zeit für die im Rahmen der Besonderen Lernleistungen erbrachten Leistungen, Nachbesprechung zu Leistungsfeststellungen sowie Feedback-Gespräche umfassen.