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1. Leit­ge­dan­ken zum Kom­pe­ten­z­er­werb

1.1 Bil­dungs­wert des Fa­ches Alt­ka­tho­li­sche Re­li­gi­ons­leh­re

Der Alt­ka­tho­li­sche Re­li­gi­ons­un­ter­richt hat die Auf­ga­be, den Schü­le­rin­nen und Schü­lern ei­nen Zu­gang zur Re­li­gi­on, zur jü­disch-christ­li­chen Tra­di­ti­on und ih­rer alt­ka­tho­li­schen Deu­tung zu ver­schaf­fen.

Die­se Auf­ga­be ge­schieht vor dem Hin­ter­grund ei­ner zwei­fa­chen Her­aus­for­de­rung:

Zum ei­nen vor dem Hin­ter­grund ei­ner zu­neh­mend sä­ku­la­ri­sier­ten Le­bens­um­welt, die voll­stän­dig an­de­re Prio­ri­tä­ten setzt als re­li­giö­se. Die­ser Um­stand wirkt sich zwangs­läu­fig auch auf die Mit­glie­der der alt­ka­tho­li­schen Kir­che und ih­re Kin­der aus. Ein nach­hal­ti­ger fa­mi­liä­rer und au­ßer­schu­li­scher Zu­gang zu re­li­giö­sen The­men und Fra­ge­stel­lun­gen als Vor­aus­set­zung für den Re­li­gi­ons­un­ter­richt in der Grund­schu­le kann nicht mehr selbst­ver­ständ­lich vor­aus­ge­setzt wer­den.

Die zwei­te Her­aus­for­de­rung be­steht dar­in, dass auch die Grund­schü­le­rin­nen und ‑schü­ler schon ei­ner hoch­kom­ple­xen und wi­der­sprüch­li­chen Le­bens­welt aus­ge­setzt sind, die­se aber ent­wick­lungs­be­dingt nur sehr ein­ge­schränkt wahr­neh­men und kaum be­griff­lich fas­sen kön­nen.

Will al­so der Alt­ka­tho­li­sche Re­li­gi­ons­un­ter­richt den Schü­le­rin­nen und Schü­lern in ei­ner al­ters­an­ge­mes­se­nen Wei­se Ori­en­tie­rung ge­ben, dann kann dies sinn­voller­wei­se nur durch An­knüp­fung an den aus der Le­bens­welt der Kin­der re­sul­tie­ren­den Ge­sichts- und Ge­dan­ken­kreis ge­sche­hen. Selbst wenn die Le­bens­welt der Kin­der sehr sä­ku­la­ri­siert sein soll­te, bie­tet das Fach Re­li­gi­on mit sei­nem spe­zi­fi­schen Zu­gang zur Sinn­fra­ge ei­ne ei­ge­ne Art der Welt­erschlie­ßung.

Da­mit liegt das Haupt­au­gen­merk des Un­ter­richts nicht ein­fach in der Ver­mitt­lung ei­nes Fa­ches, son­dern in der Er­öff­nung und Er­wei­te­rung des Zu­gangs der Kin­der zum Fach be­zie­hungs­wei­se zur Sa­che. In die­sem Bild wird zu­gleich die päd­ago­gi­sche Sei­te mit der fach­li­chen und fach­di­dak­ti­schen Sei­te des Re­li­gi­ons­un­ter­richts ver­knüpft. Erst wenn die­se Ver­knüp­fung ge­lingt, kann von re­li­giö­ser Bil­dung ge­spro­chen wer­den.

Glau­bens­wis­sen als le­bens­be­deut­sa­mes Ori­en­tie­rungs­wis­sen

Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler ler­nen mit­hin vor dem Hin­ter­grund ih­rer ei­ge­nen Er­fah­run­gen nach Gott zu fra­gen, sich in Be­zug auf re­li­giö­se Fra­ge­stel­lun­gen zu po­si­tio­nie­ren und ethi­sche Ent­schei­dun­gen auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung des christ­li­chen Men­schen­bil­des zu tref­fen. Hier­zu ist es not­wen­dig, struk­tu­rier­tes und le­bens­be­deut­sa­mes Grund­wis­sen über den Glau­ben der Kir­che zu er­wer­ben und um die kul­tur­prä­gen­de Wir­kung von Re­li­gi­on zu wis­sen.

Da­mit ver­bun­den ist ei­ne Aus­ein­an­der­set­zung mit un­ter­schied­li­chen As­pek­ten des Chris­ten­tums in sei­nen ge­schicht­li­chen und kon­fes­sio­nel­len Aus­prä­gun­gen. Auch in der Be­geg­nung mit an­de­ren Re­li­gio­nen gilt es, so­wohl das Ei­ge­ne als auch das Frem­de zu er­ken­nen und zu ver­ste­hen.

Ein sich hier­an an­schlie­ßen­der Bil­dungs­gang zielt auf Iden­ti­tät und Mün­dig­keit der Schü­le­rin­nen und Schü­ler so­wie auf ein ge­lin­gen­des Zu­sam­men­le­ben in so­li­da­ri­scher Ver­ant­wor­tung. Hier­in ver­wirk­licht sich per­so­na­le Frei­heit, die in christ­li­cher Be­stim­mung ih­ren un­ver­füg­ba­ren Grund in Gott hat.

Rechts­grund­la­ge

Der Alt­ka­tho­li­sche Re­li­gi­ons­un­ter­richt ist nach GG Art. 7, Abs. 3 der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und nach Art. 18 der Ver­fas­sung des Lan­des Ba­den-Würt­tem­berg or­dent­li­ches Lehr­fach, für das Staat und Kir­che ge­mein­sam Ver­ant­wor­tung tra­gen. Er wird ge­mäß dem Schul­ge­setz in Über­ein­stim­mung mit den Leh­ren und Grund­sät­zen der alt­ka­tho­li­schen Kir­che er­teilt (§ 96, Abs. 2 SchG).

Bei­trag des Fa­ches zu den Leit­per­spek­ti­ven

In wel­cher Wei­se das Fach Alt­ka­tho­li­sche Re­li­gi­ons­leh­re ei­nen Bei­trag zu den Leit­per­spek­ti­ven leis­tet, wird im Fol­gen­den dar­ge­stellt:

  • Bil­dung für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung (BNE)
    Im Alt­ka­tho­li­schen Re­li­gi­ons­un­ter­richt ler­nen die Schü­le­rin­nen und Schü­ler die Ei­ne Welt in bi­bli­scher Per­spek­ti­ve als Got­tes Schöp­fung zu deu­ten, die dem Men­schen an­ver­traut ist und für die er ver­ant­wort­lich ist. Dies schließt – ins­be­son­de­re un­ter dem As­pekt der Ge­rech­tig­keit – ei­ne Sen­si­bi­li­tät für nach­hal­ti­ges Wirt­schaf­ten und ge­sell­schaft­li­che Teil­ha­be al­ler Men­schen ein.
  • Bil­dung für To­le­ranz und Ak­zep­tanz von Viel­falt (BTV)
    Alt­ka­tho­li­scher Re­li­gi­ons­un­ter­richt macht be­wusst, dass je­dem Men­schen nach christ­li­cher Deu­tung sei­ne un­an­tast­ba­re Wür­de von Gott ge­ge­ben ist. Dies for­dert die Wert­schät­zung ei­nes je­den Men­schen, un­ab­hän­gig von sei­ner Her­kunft und Le­bens­form, se­xu­el­len Ori­en­tie­rung, Welt­an­schau­ung oder Re­li­gi­on.
  • Prä­ven­ti­on und Ge­sund­heits­för­de­rung (PG)
    Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler in ih­rer Per­sön­lich­keit zu stär­ken, ist ein zen­tra­les Ziel des Alt­ka­tho­li­schen Re­li­gi­ons­un­ter­richts. Er un­ter­stützt die Kin­der in ih­rer Sen­si­bi­li­tät für ih­re kör­per­li­che, see­li­sche und geis­ti­ge Ge­sund­heit und er­mu­tigt sie im re­spekt­vol­len Um­gang mit die­sen Ga­ben zu ei­ner ge­sun­den Le­bens­wei­se. Er hilft über die Stär­kung von Resi­li­enz­fak­to­ren Le­bens­kri­sen zu be­wäl­ti­gen, aber auch sich mit Mög­lich­kei­ten ge­lin­gen­den Le­bens aus­ein­an­der­zu­set­zen.
  • Me­di­en­bil­dung (MB)
    Im Alt­ka­tho­li­schen Re­li­gi­ons­un­ter­richt er­wer­ben die Schü­le­rin­nen und Schü­ler Ori­en­tie­rungs­wis­sen, das sie be­fä­higt, Aus­wir­kun­gen der Me­di­en auf das ei­ge­ne Le­ben zu er­ken­nen und ei­nen ver­ant­wor­tungs­vol­len Um­gang mit ih­nen zu ent­wi­ckeln. Mit die­sen me­di­en­bil­den­den Kom­pe­ten­zen nut­zen sie auch un­ter­schied­li­che Me­di­en (ana­lo­ge und di­gi­ta­le) als In­for­ma­ti­ons­quel­len.
  • Ver­brau­cher­bil­dung (VB)
    Der Alt­ka­tho­li­sche Re­li­gi­ons­un­ter­richt be­grün­det mit der Ka­tho­li­schen So­zi­al­leh­re ei­nen nach­hal­ti­gen Um­gang mit Res­sour­cen in der Ei­nen Welt. Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler ler­nen, wel­che per­sön­li­chen und glo­ba­len Kon­se­quen­zen ihr Kon­sum­ver­hal­ten hat und wer­den zu ei­nem ver­ant­wor­tungs­be­wuss­ten Le­bens­stil her­aus­ge­for­dert.

1.2 Kom­pe­ten­zen

Der Bil­dungs­plan legt pro­zess- und in­halts­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen fest, die un­trenn­bar mit­ein­an­der ver­bun­den sind. Sie sind stets zu­sam­men zu den­ken. In ih­rer Zu­sam­men­füh­rung wer­den sie zu ei­nem trag­fä­hi­gen Ge­we­be, das – be­zo­gen auf die Si­tua­ti­on vor Ort und auf die Be­dürf­nis­se der Kin­der – in­di­vi­du­ell ver­fei­nert und wei­ter ge­wo­ben wird.

Pro­zess­be­zo­ge­ne und in­halts­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen sind eng mit­ein­an­der ver­wo­ben. (© Lan­des­in­sti­tut für Schul­ent­wick­lung)
Abbildung 1: Prozessbezogene und inhaltsbezogene Kompetenzen sind eng miteinander verwoben [Bild: Kommissionen].

Pro­zess­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen

Die pro­zess­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen knüp­fen an die Vor­ga­ben der ka­tho­li­schen und evan­ge­li­schen Kir­chen so­wie die Kul­tus­mi­nis­ter­kon­fe­renz (KMK) an und glie­dern sich in fünf Kom­pe­tenz­be­rei­che:

  • Wahr­neh­men und Dar­stel­len
    Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler kön­nen re­li­giö­se Phä­no­me­ne und Fra­gen in ih­rem au­ßer­schu­li­schen und schu­li­schen Lebens­um­feld in Ver­bin­dung mit ih­ren im Un­ter­richt er­wor­be­nen fach­spe­zi­fi­schen Zu­sam­men­hän­gen wahr­neh­men und be­schrei­ben.
  • Deu­ten
    Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler kön­nen re­li­giö­se und ethi­sche Pro­blem- und Fra­ge­stel­lun­gen in kon­kre­ten Si­tua­tio­nen er­ken­nen, re­li­giö­se Aus­drucks­for­men, Sym­bo­le und Zeug­ni­se ver­ste­hen und deu­ten.
  • Ur­tei­len
    Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler kön­nen in re­li­giö­sen und ethi­schen Fra­ge­stel­lun­gen ei­ne ei­ge­ne Po­si­ti­on ent­wi­ckeln.
  • Kom­mu­ni­zie­ren und Dia­log­fä­hi­g-Sein
    Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler kön­nen – in Aus­ein­an­der­set­zung mit christ­li­chen Wert­vor­stel­lun­gen – ei­nen wert­schät­zen­den Um­gang mit an­de­ren Men­schen ent­wi­ckeln.
  • Ge­stal­ten und Han­deln
    Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler kön­nen aus christ­li­cher Per­spek­ti­ve ih­re Hand­lungs­mög­lich­kei­ten er­wei­tern und an For­men re­li­giö­ser Pra­xis in der Schu­le re­flek­tiert teil­neh­men und die­se mit­ge­stal­ten.

Je­der die­ser fünf Kom­pe­tenz­be­rei­che ist in meh­re­ren Teil­kom­pe­ten­zen kon­kre­ti­siert. Sie bau­en nicht nur spi­ral­för­mig auf­ein­an­der auf, son­dern las­sen sich, syts­te­ma­tisch be­trach­tet und be­zo­gen auf den Un­ter­richt und die in­halts­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen, auf drei Be­rei­che be­zie­hungs­wei­se In­ter­es­sen zu­sam­men­fas­sen. Die ers­ten bei­den Be­rei­che be­zie­hen sich auf das Sub­jekt- oder Selbst­ver­hält­nis zum Ge­gen­stands­be­reich des Re­li­gi­ons­un­ter­richts und da­bei auf das äs­the­ti­sche und her­me­neu­ti­sche In­ter­es­se der Schü­le­rin­nen und Schü­ler. Der drit­te Be­reich be­zieht sich pri­mär auf das So­zi­al­ver­hält­nis zum Ge­gen­stands­be­reich des Re­li­gi­ons­un­ter­richts und da­mit auf das per­so­nal-prak­ti­sche In­ter­es­se.

In­halts­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen

Die in­halts­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen be­schrei­ben die Fä­hig­kei­ten und Kennt­nis­se, die auf­bau­end er­wor­ben wer­den und nach­hal­tig zu si­chern sind, wenn die in den pro­zess­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen for­mu­lier­ten in­ten­dier­ten Zie­le er­reicht wer­den sol­len.

Der Bil­dungs­plan be­nennt schul­art­über­grei­fend für die in­halts­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen fol­gen­de Be­rei­che:

  • Mensch
  • Welt und Ver­ant­wor­tung
  • Bi­bel
  • Gott
  • Je­sus Chris­tus
  • Kir­che
  • Re­li­gio­nen

Durch die Glie­de­rung der in­halts­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen in­ner­halb der The­men­be­rei­che wird der Kom­pe­tenz­auf­bau ver­deut­licht. Es wird aus­ge­wie­sen, was die Schü­le­rin­nen und Schü­ler im Ver­lauf der Schul­jah­re ler­nen, wie sie ih­re Kennt­nis­se, ih­re Wahr­neh­mungs‑, Re­fle­xi­ons- und Aus­drucks­fä­hig­keit so­wie prak­ti­sche Ur­teils­fä­hig­keit er­wei­tern. Die For­mu­lie­run­gen der in­halts­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen fol­gen in den ge­nann­ten sie­ben Be­rei­chen für al­le Schul­ar­ten ei­ner ein­heit­li­chen for­ma­len Struk­tur: Die Kom­pe­tenz­be­schrei­bung be­steht aus drei Sät­zen; je­der der drei Sät­ze wird dar­un­ter in je­weils zwei Teil­kom­pe­ten­zen kon­kre­ti­siert.

In­halts­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen ge­hen auf ei­ner ers­ten Ebe­ne in der Re­gel von der le­bens­welt­li­chen Per­spek­ti­ve der Schü­le­rin­nen und Schü­ler und de­ren Er­fah­rungs­ho­ri­zont aus (Satz 1). Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler neh­men ne­ben dem ei­ge­nen Le­ben Welt und Ge­sell­schaft in den Blick und bil­den die Fä­hig­keit aus, Phä­no­me­ne wahr­zu­neh­men und dar­zu­stel­len, die re­li­gi­ös ge­deu­tet wer­den kön­nen.

Auf der zwei­ten Ebe­ne (Satz 2) set­zen sich die Schü­le­rin­nen und Schü­ler mit In­hal­ten und As­pek­ten der christ­li­chen Glau­bens­über­lie­fe­rung be­zie­hungs­wei­se an­de­rer Re­li­gio­nen (Be­reich 7) aus­ein­an­der.

Die drit­te Ebe­ne (Satz 3) schließ­lich nimmt in den Blick, dass die Schü­le­rin­nen und Schü­ler im schu­li­schen Kon­text ler­nen, ei­ge­ne Ein­stel­lun­gen, Hal­tun­gen und Hand­lun­gen zu be­den­ken und in re­li­giö­sen und ethi­schen Fra­gen be­grün­det zu ur­tei­len. Sie ler­nen Per­spek­ti­ven für ei­ne ver­ant­wor­te­te Le­bens- und Glau­bens­ge­stal­tung zu ent­wi­ckeln, re­li­gi­ös be­deut­sa­me Aus­drucks- und Ge­stal­tungs­for­men re­flek­tiert zu ver­wen­den. Sie be­geg­nen An­ge­hö­ri­gen an­de­rer Re­li­gio­nen to­le­rant und kön­nen mit ih­nen über Re­li­gi­on ins Ge­spräch kom­men.

1.3 Di­dak­ti­sche Hin­wei­se

Be­deut­sa­me di­dak­ti­sche Prin­zi­pi­en im Un­ter­richt sind die in der ka­tho­li­schen Tra­di­ti­on ver­trau­te Tri­as: Se­hen – Ur­tei­len – Han­deln. Die Tri­as kon­sti­tu­iert zu­gleich ei­ne Rei­hen­fol­ge, denn sie un­ter­stellt, dass es nicht um die Eta­blie­rung von (un­mit­tel­bar ge­setz­ten) Vor­ur­tei­len geht, son­dern, dass Ur­tei­le ei­nen Zu­gang zur Sa­che und ein Er­fas­sen der Sa­che vor­aus­set­zen. Dar­über hin­aus un­ter­stellt die be­sag­te Rei­hen­fol­ge, dass nicht grund­sätz­lich al­les in Hand­lung ge­setzt wird, son­dern nur das, was zu­vor ver­nunft­be­stimmt im Rah­men der Ent­wick­lungs­mög­lich­kei­ten der Kin­der be­ur­teilt wor­den ist.

Se­hen

An die Stel­le des (äu­ße­ren) „Se­hens“ und der hier­mit ver­bun­de­nen (in­ne­ren) „Ein­sicht“ wird der Be­griff des „Wahr­neh­mens“ ge­setzt. Wahr­neh­men ist nicht un­mit­tel­bar und auch nicht me­ta­pho­risch le­dig­lich auf den vi­su­el­len Sinn fo­kus­siert. Wahr­neh­men be­zieht sich viel­mehr auf den Ein­be­zug al­ler Sin­ne. Zu­dem gilt, dass auch Wahr­neh­mung sich nicht auf äu­ße­re Wahr­neh­mung be­schränkt, son­dern die in­ne­re Wahr­neh­mung in ih­rer viel­fäl­ti­gen Form mit ein­schließt. Wahr­neh­mung be­zieht sich da­mit zu­gleich auch auf al­le geis­ti­g-ko­gni­ti­ven und emo­tio­na­len Vor­gän­ge, so­fern sie be­wusst sind und des­halb wahr­ge­nom­men wer­den kön­nen. Wenn sie wahr­ge­nom­men wer­den kön­nen, ist ei­ne not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung da­für ge­ge­ben, das Wahr­ge­nom­me­ne auch dar­stel­len zu kön­nen. Vor die­sem Hin­ter­grund ist die ers­te Pro­zess­stu­fe und mit­hin der ers­te Schritt des Un­ter­richts durch die Be­grif­fe Wahr­neh­men und Dar­stel­len ge­kenn­zeich­net.

Ur­tei­len

Das sach­ge­rech­te und ver­nunft­be­stimm­te Ur­tei­len wird durch den Be­griff des Deu­tens er­gänzt. Deu­ten setzt ei­ne Aus­ein­an­der­set­zung mit und ei­ne Kennt­nis der Ei­gen­hei­ten des Ge­gen­stands­be­reichs vor­aus. Im Grund­schul­be­reich ist dies frei­lich nur im Rah­men des je­wei­li­gen Ent­wick­lungs­stan­des der Schü­le­rin­nen und Schü­ler mög­lich.

Han­deln

Auf­ga­be ist zu­nächst, die Vor­stel­lun­gen der neu er­schlos­se­nen Zu­sam­men­hän­ge zu ord­nen, mit dem ei­ge­nen Le­ben in Be­zug zu brin­gen und ih­re Be­deu­tung für das ei­ge­ne Le­ben zu er­schlie­ßen. Aus Schü­ler­per­spek­ti­ve steht zu­nächst die Leit­fra­ge „Was hat das al­les mit mir zu tun?“ im Vor­der­grund. Erst auf die­ser Grund­la­ge ist der Aus­bau so­zia­ler und per­so­na­ler Kom­pe­ten­zen mög­lich und zeigt sich un­ter an­de­rem in der Kul­ti­vie­rung ei­ner Dia­log­fä­hig­keit mit der Be­reit­schaft, durch den Dia­log von an­de­ren zu ler­nen und sich im Dia­log wei­ter­zu­bil­den.

Was hier für den Re­li­gi­ons­un­ter­richt in gro­ßen zeit­li­chen Zu­sam­men­hän­gen gilt, kann nur er­reicht wer­den, wenn es glei­cher­ma­ßen für je­de Un­ter­richts­ein­heit, für je­de Un­ter­richts­stun­de gilt. Die Er­trä­ge des ein­zel­nen Un­ter­richts, ei­ner ein­zel­nen Un­ter­richts­ein­heit, wer­den nicht ein­fach zu­rück­ge­las­sen, son­dern in die nächs­te Un­ter­richts­ein­heit mit­ge­nom­men und dort grund­sätz­lich wie­der, wo es sich an­bie­tet, mit dem Neu­en ver­knüpft. An­ders kann ein sich lang­fris­tig auf­bau­en­der dif­fe­ren­zier­ter Zu­gang zum Gan­zen des Re­li­gi­ons­un­ter­richts kaum ent­ste­hen.

Will der Re­li­gi­ons­un­ter­richt den Schü­le­rin­nen und Schü­lern Ori­en­tie­rung ge­ben und da­bei in ei­ner al­ters­an­ge­mes­se­nen Wei­se ih­ren Ho­ri­zont auf den Ge­gen­stands­be­reich Re­li­gi­on hin er­wei­tern, dann kann dies durch An­knüp­fung an den aus der Le­bens­welt der Kin­der re­sul­tie­ren­den Ge­sichts- und Ge­dan­ken­kreis ge­sche­hen. Da­mit liegt das Haupt­au­gen­merk des Un­ter­richts nicht ein­fach in der Ver­mitt­lung ei­nes Fa­ches, son­dern in der Er­öff­nung und Er­wei­te­rung des Zu­gangs der Kin­der zum Fach be­zie­hungs­wei­se zur Sa­che. In die­sem Bild wird zu­gleich die päd­ago­gi­sche Sei­te mit der fach­li­chen und fach­di­dak­ti­schen Sei­te des Re­li­gi­ons­un­ter­richts ver­knüpft.


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